Wechselstimmung bei Wählern: Lagergrenzen aufgehoben

Die Zuordnung zu politischen Lagern wird immer schwieriger. Bei den Landtagswahlen verlor die NPD Stimmen an die FDP - und CDU-Anhänger wählten links.

Der generelle Trend gilt wahrscheinlich auch für die Bundestagswahl: Die Wähler wechseln freier zwischen den Lagern. Bild: dpa

Drei Landtagswahlen sind vorbei, und alle haben Eigenarten bei Wählerwanderung und -beteiligung hervorgebracht. Der generelle Trend: Die CDU verliert an die FDP - und an die Nichtwähler. Daneben gibt es überraschende Beobachtungen: Die CDU verliert Stimmen an die Linke, während die FDP ihre Wähler auch von der NPD gewinnt.

"Die FDP ist ein Stück weit Protestpartei geworden", sagt Richard Hilmer, Chef des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Viele Wähler hätten sich mehr Teilhabe am Wirtschaftsaufschwung gewünscht. "Die einfachen FDP-Slogans konnten sie überzeugen", sagt Hilmer. Andere Protestwähler blieben ganz zuhause - viele Stimmen hat die NPD an Nichtwähler verloren. Ein Blick auf die Länder:

SACHSEN:

Von den drei Bundesländern ist Sachsen das einzige, in dem die Wahlbeteiligung gesunken ist - von 60 auf 52 Prozent. 39.000 der neuen Nichtwähler hatten 2004 noch NPD gewählt. Ähnlich hoch ist die Zahl der ehemaligen Linksparteianhänger, die am Sonntag kein Kreuz gemacht haben. Nur von den CDU-Wählern sind noch mehr der Wahl fern geblieben: 62.000.

Obwohl die SPD beim Wahlergebnis mit 10,4 Prozent fast unverändert blieb, gab es auch bei den Sozialdemokraten in Sachsen starke Wählerbewegungen. Die SPD gewann von der Linken 19.000 Stimmen - verlor diese aber in fast gleichem Umfang (20.000) an Nichtwähler.

THÜRINGEN:

In Thüringen ist die Wahlbeteiligung von 54 auf 56 Prozent gestiegen. Größter Verlierer der Wahl war die CDU, die fast 12 Prozent der Stimmen eingebüßt hat. Dabei hat die Partei um Ministerpräsident Dieter Althaus nicht nur an die FDP und SPD verloren (28.000 und 27.000 Stimmen), sondern überraschenderweise auch 16.000 Stimmen an die Linke. "Diese Entwicklung ist bemerkenswert, weil sie über die Lagergrenzen hinaus geht", sagt Meinungsforscher Hilmer.

SAARLAND:

Wegen der spannenden Ausgangslage und der Person Oskar Lafontaine konnten im Saarland viel mehr Wähler mobilisiert werden, als noch vor fünf Jahren. 68 Prozent betrug die Wahlbeteiligung - 12 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Einen "starken Personeneffekt" beobachtete Meinungsforscher Hilmer durch die Person Lafontaine.

Ensprechend profitierte die Linke auch am meisten von der hohen Wahlbeteiligung: 43.000 Wähler konnten sie aus dem Lager der Nichtwähler gewinnen - genauso viel wie die anderen Parteien zusammen.

Im Saarland verlor die NPD im Vergleich zu 2004 an Zustimmung und landete am Ende gerade noch bei 1,51 Prozent. Bemerkenswert: Auch hier verteilten sich die verlorenen Stimmen der Rechten fast ausschließlich auf Linke, Nichtwähler - und die FDP. Ein Zeichen, dass die unzufriedenen Protestwähler sich auch im Saarland ein neues politisches Zuhause gesucht und in der FDP gefunden haben.

Insgesamt seien die Wählerbewegungen bei den Landtagswahlen sehr stark gewesen, resümierte Hilmer, "diese Tendenz gibt es seit zehn Jahren". Erdrutschsiege wie bei der Linken im Saarland würden dadurch erst ermöglicht, sagte Hilmer.

Eine Beobachtung, die auch für die Bundestagswahl Konsequenzen haben könnte. Hilmer: "Der Vorsprung für eine Koalition aus CDU und FDP ist nicht in Stein gemeißelt."

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