Umstrittene Ermittlungen gegen linke Szene: Massive Kritik an Göttinger Polizei

Nach einem Brandanschlag in Göttingen steht die Polizei wegen ihrer Ermittlungen in der Kritik. Beamte sollen "entfesselt" gegen die linke Szene ermittelt haben.

"Die Richter getäuscht": Polizei in Göttingen. Bild: dpa

In Göttingen steht die Polizei wegen ihrer Ermittlungen zur Aufklärung eines Brandanschlags massiv in der Kritik. Von einem "entfesselten Polizeiapparat" spricht Rechtsanwalt Sven Adam. Und Adams Kollege Joachim Lau kommentierte die polizeilichen Ermittlungen in der linken Szene mit den Worten: "Die Polizei hatte nichts Konkretes und hat dann dort gesucht, wo sie etwas finden wollte."

Am 27. Januar war es in der Teeküche des Ausländeramts des Landkreises Göttingen zu einer Explosion gekommen. Sie wurde ausgelöst durch eine manipulierte Tube Klebstoff, wie ein Gutachten des Landeskriminalamt Niedersachsen feststellt.

Kurz nach der Explosion durchsuchte die Polizei eine linke Wohngemeinschaft. Sogenannte Man-Trailer-Hunde sollen die Beamten in die WG gebracht haben. Die Spur führe in die "linksextreme Szene", kommentierte Polizeivizepräsident Roger Fladung anschließend. Und Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel sprach gar von der "Schwelle zum Terrorismus", die in Göttingen erreicht worden sei. Gegen vier Bewohner des durchsuchten Hauses leitete die Polizei schließlich Ermittlungsverfahren ein. Im Juli wurden alle Verfahren eingestellt.

Kritik hagelt es jetzt an den Methoden, die die Polizei im Zuge der Ermittlungen angewandt hat. Bereits an der Beweiskraft der Spürhunde gab es große Zweifel. In einem Gutachten stellt der Ausbildungsleiter der bayerischen Landespolizei für Diensthunde, Johann Fruth, fest, dass der verwendete Geruchsträger "nicht mehr brauchbar" gewesen sei. Denn drei Zeugen hätten das Stück Pappe angefasst, das in Tatortnähe gefunden wurde. Fruth spricht von einer "deutlich einseitigen Bewertung des Ergebnisses" und hält den Schluss, die Spur führe in das später durchsuchte Haus, für "nicht nachvollziehbar".

Adam, Anwalt einer der Ex-Verdächtigten, berichtete am Dienstag, die Polizei habe von einem jungen Göttinger eine DNA-Entnahme erzwingen und ihn rund um die Uhr beschatten wollen, nur weil dieser einen "dunklen Teint hat". Eine Mitarbeiterin des Kreishauses hatte am Tag des Brandes einen Vermummten mit dunkler Augenpartie im Kreishaus gesehen. Auf eine Person festlegen konnte sich die Zeugin nicht, als ihr die Polizei später zwölf Fotos von Augenpartien vorlegte. Trotzdem wollte die Polizei den Mann ausforschen. Den Antrag auf Observation lehnt jedoch die Staatsanwaltschaft ab, die DNA-Entnahme verhindert das Göttinger Amtsgericht.

Im März organisierte die Polizei dann sechs groß angelegte Fahrradkontrollen. Auf einem Überwachungsvideo hatte sie eine "markante Art des Fahrradbesteigens" bei einem der Tatverdächtigen festgestellt. Fahrradfahrer mussten auf ihre Räder auf- und absteigen, trotzdem bleibt die Suche erfolglos.

Der Polizei sei gleichgültig gewesen, ob es für bestimmte Maßnahmen auch richterliche Beschlüsse geben muss, kommentierte Adam weitere Punkte der Ermittlung. Sie habe sogar "die Richter getäuscht".

Auf die öffentliche Kritik reagierte die Polizei mit großem Unverständnis. Gegenüber der taz sagte eine Sprecherin, man habe das Verfahren "in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft sachgerecht geführt"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.