Bundeskanzlerin für Mindesteinkommen: Merkel zitiert Marx

Die Kanzlerin überspielt den Streit über Guttenbergs Positionspapier. Das Zurückrudern überlässt sie ihrem Generalsekretär - und dem Minister selbst.

Mindestlöhne ja oder nein? Es herrscht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was Merkel sagt und dem, was Guttenberg schrieb. Bild: dpa

BERLIN taz | Im Wahlkampfstreit über die künftige Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Bekenntnis ihrer Partei zu Kombilöhnen bekräftigt. "Wir wollen ein Mindesteinkommen", sagte Merkel am Montag auf einem wirtschaftspolitischen Kongress ihrer Partei in Berlin. Erreicht werden solle dies durch Lohnzuschüsse. Man müsse Geringqualifizierten die Gelegenheit geben, "wenigstens 80 Prozent ihres Einkommens selbst zu verdienen". Sonst drohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel.

Merkel reagierte damit indirekt auf die SPD-Kritik an einem Papier aus dem CSU-geführten Wirtschaftsministerium. Das "Industriepolitische Gesamtkonzept" sieht unter anderem vor, bereits eingeführte Mindestlöhne wieder abzuschaffen, die Unternehmensteuern zu senken und die Mehrwertsteuer für bestimmte Produktgruppen zu erhöhen. SPD-Chef Franz Müntefering hatte Merkel am Wochenende zudem vorgeworfen, kein Interesse an der Schaffung neuer Arbeitskräfte zu haben. Dazu sagte Merkel am Montag: "Dass wir Arbeit schaffen wollen, ist klar. Der Streit geht ums Wie."

Die Distanzierung von den Plänen aus dem Wirtschaftsministerium überließ Merkel ihrem Generalsekretär Ronald Pofalla. Dem CDU-Politiker, der als möglicher Kandidat für das Arbeitsministerium gehandelt wird, nötigte der Streit ein ungewohnt deutliches Bekenntnis zu den bestehenden Mindestlöhnen ab. "Ich bin dezidiert dafür, in bestimmten Branchen Mindestlöhne festlegen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen", sagte Pofalla. Als Beispiel nannte er die Gebäudereiniger, für die die große Koalition als erste Berufsgruppe Mindestlöhne beschlossen habe. Pofalla versicherte, das Papier gebe nicht den Willen von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wieder und sei "eine alte Stoffsammlung, über die es sich nicht lohnt zu diskutieren".

Die schärfste Distanzierung von dem Papier musste sich am Montag aber der Sprecher von Guttenberg selbst abringen. Es handele sich um eine Sammlung von Vorschlägen zur Industriepolitik, die der Minister angefordert habe, sagte er vor Journalisten in Berlin. Guttenberg habe diese Sammlung "komplett verworfen" mit den Worten: "So geht es nicht." An dem industriepolitischen Konzept werde weiter gearbeitet. Ob das Papier noch vor der Wahl Ende September vorliege, könne er nicht sagen.

Merkel erneuerte in ihrer Rede vor Vertretern des CDU-Wirtschaftsflügels ihre Ankündigung, die Finanzmärkte disziplinieren zu wollen. "Es ist mein festes Anliegen, dass wir als Politik aus dem Erpressungspotenzial Einzelner herauskommen", sagte sie. Dazu solle eine "Charta des nachhaltigen Wirtschaftens" dienen. Es gehe um das "Weltgemeinwohl", zitierte sie den Münchner Erzbischof Reinhard Marx, einen Vertreter der katholischen Soziallehre.

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