Die Grünen suchen nach neuem Chef: "Misstrauen ist die Leitkategorie"

Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender in Schleswig-Holstein, will Bütikofer nicht beerben, weil er das mit seiner Familie nicht vereinbaren kann.

"Ich verbiete doch nicht, sich programmatisch "rechts" oder "links" zu positionieren". Robert Habeck nach der Wahl zum Grünen-Landeschef 2004. Bild: dpa

taz: Herr Habeck, Sie haben abgelehnt, als neuer Bundesvorsitzender der Grünen zur Verfügung zu stehen. Wieso wollen Sie keine Verantwortung übernehmen?

Robert Habeck: Rein politisch betrachtet wäre ein ernsthafter Anspruch auf das Amt - bei aller Eitelkeit - eine grandiose Selbstüberschätzung. In Berlin habe ich keine Machtbasis. Abgesehen davon aber gibt es einen familiären Grund dafür: Man kann nicht vier Kinder zeugen und sich danach aus dem Staub machen, um Bundesvorsitzender zu werden. Jedenfalls entspricht das nicht dem mühevoll eingerichteten Leben von meiner Frau und mir, das eben nicht auf dem klassischen, männlichen Karrieremodell basiert.

Sie teilen sich sowohl Hausarbeit und Erziehung als auch Beruf, Sie schreiben gemeinsam Bücher. Vielleicht sind Sie auch bei den Grünen in der Hinsicht in der falschen Partei?

Die Vereinbarung von Beruf und Familie ist doch bei allen Parteien ein Hindernis. Bei den Grünen ist nur der Widerspruch eklatanter, da die Idee von Gleichberechtigung zu den programmatischen Grundsätzen der Partei gehört. Das ist in der Tat ein Problem, nicht nur für mich.

Für wen denn noch?

Antje Hermenau hat ja bereits gesagt, dass sie einen kleinen Sohn hat und daher nicht zur Verfügung steht für das Amt der Bundesvorsitzenden. Das geht anderen ähnlich. Ich weiß aber nicht, ob Sie gerne in der Zeitung lesen würden, Sie wollten nicht Vorsitzender werden, weil Ihre Frau schwanger ist oder Ihr Partner den Beruf nicht aufgeben will zugunsten der Parteikarriere.

Warum eigentlich nicht?

Tja, es entspricht eben nicht den politischen Gepflogenheiten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist so was wie das Zölibat der Grünen: das eine fordern, das andere machen. Die Doppelspitze hielte eigentlich schon eine Antwort bereit für das Vereinbarkeitsproblem, wenn man sie mit einem anderen Politik- und Führungsverständnis einsetzte: einem familienfreundlichen, bei dem man sich gegenseitig entlastet.

Sie fordern das Ende des Flügelproporz-Denkens?

Genau. Die Doppelspitze wurde ja aus dem gegenseitigen Misstrauen von Fundis und Realos gegen die Machtausübung geboren. Das nervt mich schon beim Zugucken. Ich hätte gar keine Lust, mich in ein Milieu zu begeben, in dem Misstrauen die Leitkategorie ist.

Welche Leitkategorie schwebt Ihnen denn vor?

Mit genau dieser formalen Struktur ließe sich eine Kultur des Vertrauensvorschusses etablieren. Man müsste nur die Ausschreibung ändern. Nicht Karrierestreben, unsichere Weiterbeschäftigung, maximales flexibles Arbeitspensum wären ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass die Leute leben, was wir programmatisch fordern.

Wie bereit ist denn die Partei für Ihr Modell?

Wir legen großen Wert darauf, ein programmatisches Patt an die Spitze zu wählen und klagen dann über politische Verhaltensstarre. Ich glaube, die meisten haben keine Lust mehr darauf. Besonders im vergangenen Jahr hat das nicht gut funktioniert. Aber das liegt nicht an den handelnden Akteuren, sondern an der Denke in der Partei. Nach meinem Gefühl wird diese Kontrolletti-Mentalität jedoch schwächer. Immer mehr Leute fühlen sich heimatlos zwischen den Flügeln und wollen sie deshalb aufbrechen. Ich glaube, die Bereitschaft in der Partei ist groß, sich auf einen programmatischen Neuanfang einzulassen.

Eine Grüne Partei ohne Fundis und Realos, ist die wirklich denkbar?

Ich verbiete doch nicht, sich programmatisch "rechts" oder "links" zu positionieren. Aber dies zum Beispiel an Farbspielen - Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün - festzumachen finde ich geradezu lächerlich. Es folgt genau der alten Logik, nach der der Realo Tarik Al Wazir sich in Hessen nie von der Linkspartei hätte tolerieren lassen dürfen und in der Großstadt Hamburg die GAL nie mit der CDU reden dürfte. Gerade wenn es neue Bündnisse gibt, dürfen die Grünen nicht im alten Denken verweilen. Wenn Bündnisse zu einer Flügelfrage werden, ist die Partei erledigt.

INTERVIEW: SUSANNE LANG

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