Urteil in Schleswig-Holstein: Neuwahl - aber erst in zwei Jahren

Das Landesverfassungsgericht beanstandet die schwarz-gelbe Mehrheit in Kiel. Das Wahlgesetz, das CDU und FDP begünstigte, sei mit der Landesverfassung "unvereinbar".

Die Stühle, auf denen sich die Beschwerdeführer später über den Richterspruch freuen durften. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der verfassungswidrig zusammengesetzte Landtag von Schleswig-Holstein muss neu gewählt werden. Das entschied am Montag das Landesverfassungsgericht in Schleswig. Aber die Richter waren sehr großzügig. Neuwahlen müssen erst in zwei Jahren stattfinden. Bis dahin bleibt die Mehrheit aus CDU und FDP bestehen.

Bei der letzten Landtagswahl im September 2009 hatte die CDU 34 von 40 Wahlkreisen direkt gewonnen. Nach dem Stimmergebnis hätten ihr aber nur 23 Sitze im Landtag zugestanden, sie erhielt also 11 sogenannte Überhangmandate. Damit das Wahlergebnis dadurch nicht verzerrt wird, sieht die Landesverfassung vor, dass die anderen Parteien "Ausgleichsmandate" erhalten. Allerdings beschränkt das Landeswahlgesetz die Zahl der Ausgleichsmandate, sodass nur 8 von 11 Überhangmandaten kompensiert wurden. Die Klausel gibt es schon lange, aber 2009 hatte sie erstmals große Wirkung. Bei vollem Ausgleich hätten nämlich SPD, Grüne, Linke und die Dänenpartei SSW zusammen eine Stimme mehr gehabt als Schwarz-Gelb.

Gegen diese Klausel, die das Wahlergebnis ins Gegenteil verkehrte, erhoben Grüne und SSW Normenkontrollklage. Die Linke und 48 Bürger riefen das Verfassungsgericht mit einer Wahlprüfungsbeschwerde an.

Im Prinzip hatten die Klagen Erfolg. Die sieben Verfassungsrichter in Schleswig bestätigten jetzt, dass der Landtag "verfassungswidrig zusammengesetzt" ist. Dies beruhe allerdings nicht, wie die Linken meinten, auf einer Falschanwendung des Wahlgesetzes, vielmehr sei das Wahlgesetz "unvereinbar" mit der Landesverfassung. Es sei deshalb nicht möglich, den Landtag sofort aufzulösen.

Die Richter sahen sich auch nicht in der Lage, die korrekte Sitzverteilung festzustellen. Denn verfassungswidrig sei nicht nur die Verzerrung des Wahlergebnisses, vielmehr sei der Landtag durch die vielen Überhang- und Ausgleichsmandate jetzt auch viel zu groß. Die Richter beriefen sich auf eine Vorschrift der Landesverfassung, wonach der Landtag 69 Sitze habe, sich die Sitzzahl aber durch Überhang- und Ausgleichsmandate verändern könne. Daraus machten die Richter einen Auftrag an den Gesetzgeber, Überhang- und Ausgleichsmandate "so weit wie möglich" zu verhindern. Am Ende wurden drei Bestimmungen des Wahlrechts für verfassungswidrig erklärt, die "in ihrem Zusammenspiel" zur Verzerrung des Wahlergebnisses und zur Aufblähung des Landtags führten.

Und weil alle Wahlfehler miteinander "verwoben" seien, brauche auch der Gesetzgeber viel Zeit, um ein neues Wahlgesetz zu beschließen. Dabei müssten Zahl und Zuschnitt der Wahlkreise überdacht werden, ebenso die Regelungen für Überhang- und Ausgleichsmandate. Bis Mai 2011 hat der Landtag Zeit, ein neues Gesetz zu beschließen. Anschließend sollen die Wahlverwaltung und die Parteien noch einmal 14 Monate bekommen - bis Ende September 2012 -, um die Wahl praktisch vorzubereiten. Damit wird die eigentlich bis 2014 währende Wahlperiode zwar um zwei Jahre verkürzt, aber der Landtag kann mit seiner falschen Mehrheit doch insgesamt drei Jahre amtieren. Allen Ernstes sagte Bernhard Flor, Präsident des Landesverfassungsgerichts: Man habe versucht, "den Bestand des auf verfassungswidriger Grundlage gewählten Landtags nicht länger als erforderlich andauern zu lassen".

Das Urteil der sieben Richter fiel einstimmig. Es hat keine Bedeutung für andere Bundesländer oder das Bundeswahlgesetz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.