Entwicklungspolitik: Niebel verschnupft ins neue Amt

Kühler Empfang: Der neue Minister Dirk Niebel hat sich den MitarbeiterInnen eines Ministeriums vorgestellt, das er vor zwei Wochen noch abschaffen wollte.

Sie geht, er tritt sein Amt an. Bild: dpa

Nein, allzu lange wollte Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nicht mit ihrem Nachfolger gesehen werden. Zwar gestattete die Ministerin a. D. den Fotografen im Entwicklungsministerium ein gemeinsames Foto, aber die Situation war ihr sichtlich unangenehm. Also schnell beenden: "So!", rief sie und ließ sich auf ihren Platz fallen - kein Blick mehr zu Dirk Niebel.

Es war kurz nach halb sechs am Mittwochabend, als Wieczorek-Zeul sich offiziell von ihren Berliner Mitarbeitern verabschiedete. Zusammen habe man in den letzten elf Jahren dafür gesorgt, dass Deutschland Entwicklungshilfe "aus einem Guss" leiste, lobte sie die Belegschaft. Dem Nachfolger gab sie auf den Weg: "Bauen Sie auf das Engagement dieser Mitarbeiter!"

Dirk Niebel tritt ein schweres Amt an. Selten ist ein Minister vorab mit so viel Häme überschüttet worden, eine Benennung regelrecht als Missachtung eines Politikfeldes gewertet worden wie bei Niebel. Noch vor wenigen Wochen forderte er als FDP-Generalsekretär die Eingliederung des Ministeriums in das Außenamt, Anfang des Jahres wollte er verhindern, dass die Entwicklungsländer Geld aus dem Konjunkturpaket bekommen. Einen "schlechten Scherz" nennt der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe die Personalie Niebel, eine "unverfrorene Provokation" die Grüne Ute Koczy. Für viele in der Szene ist die Entscheidung fast die Umsetzung des liberalen Wahlziels: die Auflösung des Ministeriums als eigenständiges Ressort.

Entsprechend kleinlaut gab sich Niebel bei seiner Antrittsrede vor den MitarbeiterInnen. Er wisse, dass seine Benennung für "gemischte Gefühle" gesorgt habe, sagte er mit verschnupfter Stimme - und bat um Kooperation: "Ich bleibe eine Zeitlang ein Anfänger."

Was auf das Ministerium und die entwicklungspolitischen Organisationen inhaltlich zukommt, ließ Niebel zwischen den Zeilen anklingen: Er wolle "Organisationsstrukturen reformieren und Doppelstrukturen abbauen", die "Eigenverantwortung der Länder stärken" und auf eine "Zusammenarbeit mit der Wirtschaft" bauen.

"Wir dürfen die Ziele der Entwicklungspolitik nicht der Außenpolitik unterordnen", so Raabe. Auch im Ministerium wird ein Paradigmenwechsel gefürchtet. Er habe keine Lust mehr, hier weiterzuarbeiten, klagt ein Ministeriumsmitarbeiter.

Wer bleibt, wird sich auf gewaltige Umstrukturierungen gefasst machen müssen. Erwartet wird, dass weite Teile der politischen Ebene ausgetauscht werden, der bisherige FDP-Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz soll wohl Staatssekretär werden. Diese Entscheidung für einen weiteren Vertrauten von Außenminister Westerwelle hat offenbar selbst in der FDP für Unruhe gesorgt. "Völlig unverständlich" sei es, sich auch auf diesem Posten für einen Fachfremden zu entscheiden, hieß es aus Parlamentskreisen.

Dirk Niebel berief sich bei seiner Antrittsrede auf den ersten Entwicklungsminister - auf Walter Scheel. Über Scheel sagt man, er wollte das Amt vor allem aus einem Grund gerne haben: weil man so viel reisen könne.

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