Krankenkassen mit Milliarden-Defizit: Notoperation am Finanzloch

Angesichts der dramatischen Lage der Krankenkassen suchen Union und FDP nun fieberhaft nach Möglichkeiten, das Finanzloch von 7,5 Milliarden Euro zu stopfen.

Im Gesundheitssystem klafft ein Finanzloch von 7,5 Milliarden Euro. Bild: dpa

Berlin ap | Eine Vorfestlegung trafen die künftigen Koalitionspartner am Mittwoch aber noch nicht. Zur Debatte stehen vor allem höhere Zusatzbeiträge für die Versicherten. Außerdem dringt die CSU auf Einsparungen zu Lasten der Pharmaindustrie.

Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hatte am Dienstag prognostiziert, dass den Krankenkassen 2010 knapp 7,5 Milliarden Euro zur Deckung ihrer Ausgaben fehlen. Hintergrund sind schwache Einnahmen wegen der Krise bei gleichzeitig stark steigenden Ausgaben für Ärzte, Kliniken und Arzneien.

Die Krankenkassen fordern eine Anhebung des Beitragssatzes von derzeit 14,9 Prozent, weitere Steuermittel für den Gesundheitsfonds sowie Einsparungen. Als Alternative blieben nach jetziger Gesetzeslage nur Zusatzbeiträge, die die Versicherten alleine tragen.

"Daten genau anschauen"

Die Chefunterhändler für Gesundheit, Ursula von der Leyen (CDU) und Philipp Rösler (FDP), schlossen zum Auftakt ihrer Koalitionsverhandlungen keine Option aus. "Wir müssen uns jetzt genau die verschiedenen Daten anschauen", sagte Leyen. "Es gibt ein Finanzierungsproblem." Rösler wollte die FDP-Forderung nach Abschaffung des Gesundheitsfonds zunächst nicht wiederholen. Sein FDP-Kollege Daniel Bahr bewertete die Lage als dramatisch. Dies sei eine Erblast der bisherigen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) wurde etwas konkreter und drohte mit einem Sparpaket zu Lasten der Pharmaindustrie. "Da werden großartige Gewinne gemacht", sagte Söder. "Und ich denke, wenn es darum geht, Einsparungen vorzunehmen, dann sicherlich dort - aber nicht zulasten der Patienten." Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie wies die Idee sofort zurück.

Söder bekräftigte die Forderung, den Gesundheitsfonds und den Finanzausgleich der Kassen nach Krankheitsdaten (Morbi-RSA) umzubauen.

Kassen wollen weg vom Einheitsbeitrag

Der AOK-Bundesverband erklärte, angesichts des Milliarden-Defizits seien jetzt alle Beteiligten gefordert, "ihren Beitrag zur Schließung der Finanzlücke zu leisten." Dabei dürften die Beitragszahler nicht überfordert werden.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) mahnte ebenfalls, die Versicherten sollten die 7,5 Milliarden Euro nicht alleine finanzieren müssen. Stattdessen solle mehr Steuergeld ins System fließen, und der allgemeine Beitragssatz - den die Arbeitgeber zum Teil mitfinanzieren - solle angehoben werden. Zudem müssten die Ausgaben begrenzt werden, sagte vdek-Chef Thomas Ballast im WDR.

Die mit dem Gesundheitsfonds eingeführte Möglichkeit für Zusatzbeiträge kritisierte Ballast grundsätzlich. Erstens reichten sie nach derzeitiger Gesetzeslage nicht aus, weil sie auf 37 Euro im Monat begrenzt seien. Außerdem verschlinge der Einzug allein bis zu 500 Millionen Euro. Stattdessen sollten die Kassen ihren Beitragssatz wieder selbst festsetzen dürfen.

Auch Sozialverbände warnten vor einer einseitigen Belastung der Versicherten. "Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung müsste so festgelegt werden, dass die Ausgaben abgedeckt werden", sagte der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, der "Neuen Presse" in Hannover. Der Sozialverband VdK äußerte die "große Befürchtung", dass die künftige schwarz-gelbe Koalition den Weg für höhere Zusatzbeiträge für gesetzlich Krankenversicherte ebnen werde.

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