Prozess gegen Terrorverdächtige: Unter den Augen der Polizei

In Düsseldorf beginnt Mittwoch der so genannte Sauerland-Prozess gegen zwei deutsche Konvertiten und ihre Kumpane. Sie sollen gewaltige Sprengstoff-Attentate geplant haben.

Am 22. April 2009 beginnt der Prozess gegen die drei Terrorverdächtigen. Bild: dpa

Was für ein Kontrast: Da planen drei, vier junge Islamisten den größten Terroranschlag, den Deutschland je erlebt hat. Doch das ganze Verbrechen wird von Anfang an unter den Augen der Sicherheitsbehörden vorbereitet. So groß der Schaden also hätte sein können, so gering war die Gefahr, dass er eintritt. Mittwoch wird am Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen vier Mitglieder der so genannten Sauerland-Gruppe eröffnet.

Der Anschlag hätte Hunderte von Toten verursachen sollen, darunter möglichst viele Amerikaner. Drei gewaltige Autobomben hätten parallel explodieren sollen - vor Flughäfen, Pubs oder Discos in Frankfurt/Main, Ramstein, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Stuttgart oder München, so ganz klar war das noch nicht. Zeitlich wurde aber die Nähe zur Bundestagsabstimmung über die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gesucht, die für Mitte Oktober 2007 geplant war. Auch politisch sollte also möglichst großer Schaden angerichtet werden, glaubt die Bundesanwaltschaft.

Allerdings standen die vier Angeklagten - die beiden Ulmer Fritz Gelowicz und Attila Selek, der Hesse Adem Yilmaz und der Saarländer Daniel Schneider - von Beginn der Planung bis zur Festnahme im Sauerland unter staatlicher Überwachung. Hunderte von Polizisten und Verfassungsschützern waren monatelang im Einsatz. Besonders kurios dabei: Die Möchtegern-Terroristen wussten das sogar.

So verfolgten Verfassungsschützer, wie Gelowicz und Selek an Silvester 2006 eine Kaserne in Hanau auskundschafteten. Anschließend wurden die Männer und ihr Umfeld so offensiv überwacht, dass Selek nach einigen Tagen mit dem Auto an einer Ampel hielt, ausstieg und sich auf die Motorhaube des verfolgenden Wagens legte. Ein ander Mal zerstach er einen Reifen der Verfassungsschützer. Im Januar 2007 fand auch eine erste Hausdurchsuchung bei Gelowicz, Selek und anderen statt. Später übernahm die Polizei die Beobachtung und versuchte, etwas dezenter zu sein.

Doch dass etwas im Busch war, konnte sogar die breite Öffentlichkeit erfahren. Im Mai 2007 berichtete das Magazin Focus mehrfach darüber, dass "eine seit Monaten observierte Islamistengruppe offenbar verheerende Anschläge ausheckt". Zur Gruppe gehörten auch zwei deutsche Konvertiten, meldete Focus. Nur die Namen Gelowicz und Schneider fehlten noch. Gelowicz und seine Kumpane reagierten einerseits mit immer größerer Konspiration. Sie versuchten, Verfolger abzuschütteln und kommunizierten fast nur über die Entwurfsordner von gemeinsam genutzten Email-Programmen. Dazu fuhr Gelowicz abwechselnd in rund 60 verschiedene Call-Shops oder loggte sich in das unverschlüsselte WLAN-Netz von harmlosen Privatpersonen ein.

Andererseits unterhielten sich die Verschwörer bei Fahrten mit einem Mietwagen oder in dem Ferienhaus, wo sie Sprengstoff herstellen wollten, ganz offen über die geplanten Anschläge. Und da die Polizei überall Wanzen installiert hatte, wussten die Ermittler letztlich doch genau Bescheid. "Pass auf, jetzt schreiben wir in Deutschland Geschichte", sagte zum Beispiel Gelowicz zu Schneider vor dem Einschlafen im Ferienhaus. Viel hätte aber nicht passieren können. Denn die Polizei hatte den Inhalt der gehorteten Chemikalienfässer schon im Juli durch eine stark verdünnte ungefährliche Lösung ersetzt.

Nicht nur für die Ermittler war es rätselhaft, dass die Angeklagten, obwohl sie von der Überwachung wussten, unbeirrt immer weiter machten. Zeitweise befürchtete die Polizei, dies sei nur ein gigantisches Ablenkungsmanöver, das den Staatsschutzapparat auf eine falsche Fährte lenken soll, während andernorts unbehelligt der eigentlich geplante Anschlag vorbereitet wird. So war es aber nicht.

Auch die Vermutung von linken Beobachtern, hier hätten Geheimdienste ein Spektakel inszeniert, damit Innenminister Schäuble anschließend leicher neue Sicherheitsgesetze durchsetzen kann, hat sich bisher nicht bestätigt. Die vier Angeklagten scheinen authentische Islamisten und keine Marionetten der Sicherheitsbehörden zu sein. Geheimdienstverwicklungen dürfte es nur am Rande gegeben haben. So soll der Türke Mevlüt K., der an der Beschaffung von Bombenzündern beteiligt war, ein V-Mann des türkischen Geheimdienstes und der CIA sein.

Der Prozess wird etwa zwei Jahre dauern. Mit einer Verurteilung ist angesichts der erdrückende Beweislage zu rechnen. Offen ist aber noch, welche konkreten Delikte den vieren nachgewiesen werden können.

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