Tschechien tritt EU-Ratspräsidentschaft an: Deftige Sprüche gegen die EU

Tschechiens Regierungskoalition steht auf sehr wackligen Füßen. Das verspricht nicht gerade eine erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft für das Land.

Kranzleger mit Mut zum Paukenschlag: Präsident Václav Klaus. Bild: dpa

PRAG taz Für jede Boulevardpresse ist Präsident Václav Klaus die attraktivste Figur, wenn es um das Thema "tschechische EU-Ratspräsidentschaft" geht. Präsent ist Klaus vor allem durch sein Verhalten. Er agiert stets ungeniert und für die Öffentlichkeit packend. Zwar sind seine exekutiven Kompetenzen klein und seine Rolle auf die eines "Kranzlegers" beschränkt. Dennoch beherrscht er die öffentliche Stimmung, zuletzt mit der Gründung einer neuen liberalen Partei.

Ein Paukenschlag aus seiner Ecke kommt an. Gegenüber der EU und dem globalen Klimawandel stilisiert er sich als Verteidiger von Minderheitsmeinungen - als unerschrockener Held. Doch mit der Praxis des tschechischen Ratsvorsitzes hat Klaus wenig zu tun. Die politische Agenda des Vorsitzes hat die Regierung in ihrer Hand, eine Koalition aus der liberalen Partei ODS, den Christdemokraten und den Grünen. Die Sozialdemokraten sind in der Opposition, in der auch die Kommunisten mitmischen. Teile der ODS und die Kommunisten stehen dabei der europäischen Integration skeptisch gegenüber.

Die Koalition ist ein halbes Jahr nach den Wahlen 2006 mit der Mehrheit von einer Stimme zustande gekommen, aber die Verhältnisse haben sich seither geändert - die ODS spaltete sich und "Gründervater" Václav Klaus ist ausgetreten. Auch die Opposition kann jedoch keine Mehrheit finden. Etwa 10 der 200 Abgeordneten irren zwischen den Lagern umher - sei es aus Verantwortung, aus Rachsucht, aus Liebe zu Klaus oder aus persönlichen Interessen.

Bei der Debatte über den Lissabon-Vertrag, über den im Parlament erst im Februar abgestimmt werden soll, kam deshalb der Vorschlag auf, zeitgleich mit mit den Europawahlen Neuwahlen abzuhalten. Entschieden aber wurde nichts. Dabei ist vielen Politikern klar, dass ihre Karriere vom Erfolg der tschechischen Ratspräsidentschaft abhängt. Besonders gilt dies für Ministerpräsident Mirek Topolánek und für den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Europaminister Alexander Vondra, der einst als Europa-skeptischer "Transatlantiker" angefangen hatte.

De facto ist die Ausübung der Ratspräsidenschaft aber eine Angelegenheit der "dritten Reihe", jener Experten, die die Vorgaben für die Politiker erstellen. Die tschechischen Experten arbeiten dabei längst im europäischen Kontext. Die Öffentlichkeit erfährt nur langsam, was Europa im Kleinen ausmacht. Mit einer Werbekampagne will die Regierung dies erklären. Themen sind der Einfluss der EU auf die Wirtschaft, das "Geld aus Brüssel" eben. Aber lächelnde Menschen auf Werbeplakaten erinnern allzu sehr an Plakate der einstigen "Erbauer des Sozialismus". Brüssel gleicht Moskau - lautet der Vorwurf der Skeptiker.

Auch anderweitig unterscheiden sich die tschechischen Positionen von gemeinsamen europäischen Standpunkten, wie etwa beim Aufbau eines US-Raketenabwehrsystems. Besorgt registriert man in Prag die schroffen russischen Reaktionen, die ein wenig an die Breschnjew-Doktrin erinnern - 1968 der Vorwand zum Einmarsch in die Tschechoslowakei.

Über die französischen Gummipuppen, die Sarkozy, den Ministerpräsidenten Topolánek und Präsidenten Klaus veräppeln, oder über einen oberlehrerhaften Auftritt Daniel Cohn-Bendits auf der Prager Burg können Tschechen herzlich lachen. Es ist eher die handfeste Politik, die negative Stimmung erzeugt. Dass Deutschland die Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus den osteuropäischen Beitrittsstaaten über 2009 hinaus noch zwei weitere Jahre einschränken will, stößt auf Unverständnis.

Mit ihrem Motto "Europa ohne Barrieren" hatte die tschechische Ratspräsidentschaft auf einen freundlichen Wink aus Berlin gehofft, etwa in der Art "Ja, wir wissen, dass mehr Deutsche in Tschechien arbeiten als umgekehrt". Aber weit gefehlt! Die Euro-Skeptiker erfahren aus Deutschland eine Bestätigung. Am Stammtisch heißt es dann, die EU sei nur ein Instrument deutscher Dominanz. Nicht unbedingt zutreffend, aber auch nicht ohne Wirkung.

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