Emil Boc wird Regierungschef in Rumänien: "Der Taschenträger des Präsidenten"

In Rumänien ist Emil Boc neuer Ministerpräsident einer Koalition aus Liberaldemokraten und Sozialdemokraten. Beide Parteien haben mehr gemeinsam, als sie zugeben möchten.

Was Emil Boc da in der Hand hält, ist keine Tasche, sondern der Text seiner Vereidigung als Ministerpräsident Rumäniens. Bild: dpa

BERLIN taz Knapp zwei Wochen nach den Wahlen in Rumänien ist die neue Regierung vereidigt worden. Überraschenderweise einigten sich die Liberaldemokraten (PDL), die dem Staatspräsidenten nahe stehen, darauf, mit den Sozialdemokraten (PSD) eine Koalition einzugehen. Die Regierung wird in den Medien zumeist als eine große Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialisten dargestellt.

Die Liberaldemokraten und das aus Sozialdemokraten und der Konservativen Partei (PC) gebildete Wahlbündnis erhielten bei dem Urnengang am 30. November fast die gleiche Stimmenzahl. Beide kamen auf knapp 33 Prozent. Allerdings lag die Wahlbeteiligung bei nur 40 Prozent, was einem historischen Tiefstand nahe kommt. Präsident Traian Bsescu wollte nach den Wahlen seinen Wunschkandidaten zum neuen Regierungschef machen. Dieser lehnte jedoch das Amt ab. Zu dem Zeitpunkt waren die Koalitionsgespräche fast abgeschlossen und die zukünftigen Regierungspartner hatten sich schon auf die Verteilung der 18 Ministerposten geeinigt.

Der Staatspräsident, der laut rumänischer Verfassung den Premier ernennt, musste nun rasch einen neuen, geeigneten Kandidaten aus dem Ärmel zaubern. Als Ersatz für seinen abgesprungenen Wunschkandidaten schlug Bsescu PDL-Chef Emil Boc vor. Der von den rumänischen Medien ironisch als "ewiger Taschenträger des Präsidenten" bezeichnete Boc soll nun in den nächsten vier Jahren eine Regierung anführen, die sich, laut Koalitionsvertrag, vorgenommen hat, den Modernisierungsprozess Rumäniens und die Korruptionsbekämpfung fortzusetzen.

In dem Regierungsabkommen wird ausdrücklich auf die gegenseitige Respektierung der ideologischen Ausrichtung der Sozialdemokraten und Liberaldemokraten hingewiesen. Der Hinweis ist eigentlich überflüssig, denn zwischen den Bündnispartnern gibt es im Grunde mehr Gemeinsamkeiten, als sie selber zugeben möchten. Die geringfügigen Unterschiede sind eigentlich eine Folge der Geschichte dieser Parteien, die heute unter verschiedenen Etiketten, als linke beziehungsweise rechte Gruppierung, auftreten. Beide Parteien, sowohl die Sozialdemokraten (PSD) als auch die Liberaldemokraten (PDL), sind Schösslinge der nach der blutigen Revolution von 1989 gegründeten postkommunistischen Sammelbewegung Front zur Nationalen Rettung. In den Nachwendejahren änderten sie mehrmals ihre Namen und wurden in die Sozialistische Internationale aufgenommen. Emil Boc leitete 2005 einen spektakulären Kurswechsel der PDL ein und bescherte ihr dadurch die Mitgliedschaft in der konservativen Europäischen Volkspartei.

In der neuen Regierung treffen sich nun die "verfeindeten" Brüder als Koalitionspartner wieder, die in den nächsten vier Jahren die Geschicke des Landes lenken sollen. Falls sich das Regierungsprogramm als leeres Versprechen erweisen sollte, wird die Wahlbeteiligung in vier Jahren noch dramatischer sinken. Die Politikverdrossenheit in Rumänien dürfte neue Ausmaße annehmen.

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