Europas neue Somaliapolitik: EU will somalische Soldaten ausbilden

Die EU will beschließen, im Kleinstaat Dschibuti zukünftige Soldaten der machtlosen somalischen Übergangsregierung zu trainieren. Diese Aktion heizt die Konflikte weiter an.

Hunderte junge Männer sind in den letzten Monaten verschwunden, auch die Söhne von Halima und Rhadija.

Die ersten Schüsse rund um die Basis der burundischen Truppen, die im Auftrag der Afrikanischen Union (AU) für Sicherheit in Somalias Hauptstadt Mogadischu sorgen sollen, fielen am Samstag nach Sonnenuntergang.

Danach kam die Wohngegend nicht mehr zur Ruhe. Bewohner berichten von einer weiteren Nacht in Todesangst. Denn wenn die Islamisten der Shabaab-Milizen, die weite Teile Mogadischus kontrollieren, sich mit den Truppen der AU-Mission Amisom anlegen, geraten fast immer Zivilisten ins Kreuzfeuer. Weil die Truppen der Übergangsregierung nur zwei Straßenzüge in Mogadischu kontrollieren, stehen AU-Soldaten an der Front.

Das soll sich ändern, wenn die EU-Außen- und Verteidigungsminister heute wie erwartet in Brüssel beschließen, der international anerkannten aber völlig machtlosen somalischen Regierung beim Aufbau einer somalischen Armee zu helfen.

An der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte soll auch die Bundeswehr beteiligt sein, bestätigte Ende September der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung schon bei einem EU- Ministertreffen in Göteborg. "Ich habe gesagt, dass wir vom Grundsatz her bereit sind, Unterstützung zu leisten", so Jung. Ausgebildet werden die Somalis nicht in Somalia, sondern in Uganda oder Dschibuti.

Die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Javier Solanas, Christina Gallach, räumt ein, dass noch einige Probleme zu lösen sind: etwa, wie man verhindern kann, dass die Truppen mit EU-Ausbildung nach der Rückkehr in die Heimat zu den Islamisten überlaufen. "Wir wollen mit der Afrikanischen Union verhandeln, ob Amisom die Kontrolle übernehmen kann", so Gallach.

Mit ihrem militärischen Engagement begibt die EU sich in eine gefährliche Gemengelage. Frankreich etwa, das hinter dem EU-Engagement steht, ist im Konflikt klar positioniert. 485 somalische Soldaten, so heißt es aus Militärkreisen in Dschibuti, sind bereits dort trainiert worden - von französischen Ausbildern.

Sobald der EU-Beschluss da ist, soll das Training auf den Stützpunkt der französischen Armee in Dschibuti verlegt werden. Mehr als dreißig dschibutische Soldaten sollen zudem auf Druck aus Paris bereits von der Regierung abgestellt worden sein, um in Mogadischu weitere Truppen zu trainieren.

Von Dschibuti aus operieren zudem US-Amerikaner, die unbemannte Drohnen und Kampfflugzeuge auf Mission nach Somalia schicken. Auch die US-Geheimdienste sind immer stärker in Dschibuti präsent. Spezialeinheiten der US-Armee landeten Anfang September in Barawe, einer von der Shabaab kontrollierten somalischen Stadt, und exekutierten den 28-jährigen Saleh Ali Saleh Nabhan. Der Kenianer soll an Terroranschlägen in Kenia beteiligt gewesen sein.

Aus Somalias jüngster Krise im fast 19 Jahre alten Bürgerkrieg droht zudem ein regionaler Konflikt zu werden. Dschibutis Treue zum Westen hat die ohnehin angestrengten Beziehungen zum Nachbarn Eritrea weiter verschlechtert. "Eritrea exportiert Chaos", erklärte Dschibutis Außenminister Machmud Ali Yussuf vor Kurzem. "Eritrea trainiert Rebellen und rüstet sie für Attentate in Dschibuti aus."

Dass Eritreas Alleinherrscher Isaias Afeworki die somalischen Rebellen unterstützt, ist ein offenes Geheimnis: Auf bis zu eine halbe Million US-Dollar wird das Geld aus Libyen, Katar und dem Iran geschätzt, das Eritrea an die Islamisten weiterleitet.

Manch einer, vor allem der Erzfeind Äthiopien, der in Somalia die Übergangsregierung unterstützt und hin und wieder mit Truppen auf somalischem Boden eingreift, träumt von einer militärischen Lösung. Doch Afeworki wird nicht kampflos aufgeben. Sollten Berichte stimmen, nach denen eine Rebellengruppe aus ethnischen Somalis am Wochenende mehrere Städte im Osten Äthiopiens eingenommen hat, könnte das bereits das Signal für einen neuen Stellvertreterkonflikt sein.

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