Buch-Affäre in Dänemark: Generalstabschef muss gehen

Der dänische Generalstabschef ist zurücktreten, weil das Militär eine angeblich von Terroristen stammende Buchübersetzung lancierte. Doch er ist wohl nur ein Bauernopfer.

Die Buch-Affäre verdrängt das eigentliche Thema: den Einsatz dänischer Soldaten in Afghanistan. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Drei Wochen mit Lügen, Ungeschicklichkeiten und immer neuen bizarren Enthüllungen waren zu viel. Am Sonntag musste der dänische Generalstabschef Tim Sloth Jørgensen zurücktreten. In einer Erklärung betont er die Wichtigkeit, dass "unsere Verteidigung das Vertrauen von Volk und Politikern genießt" und konstatiert, dass dies bei ihm "derzeit nicht mehr der Fall ist".

Jørgensen musste sich offenbar für Verteidigungsminister Søren Gade opfern, nachdem Forderungen nach dessen Rücktritt in den letzten Tagen immer lauter geworden waren. Es geht um den "Buchskandal". Die umstrittenen Memoiren eines Soldaten der dänischen Eliteeinheit über seine Einsätze im Irak und in Afghanistan mit angeblich sicherheitsrelevantem Inhalt. Von dessen geplanter Herausgabe hatte die Militärführung zwar seit Monaten gewusst, das Buch aber erst in letzter Minute gerichtlich stoppen wollte. Damit scheiterte sie.

Plötzlich tauchte eine arabische Übersetzung des Buches auf, die das Militär al-Qaida in die Schuhe schieben wollte, um so seine Sicherheitsbedenken gegen die ursprüngliche Veröffentlichung zu untermauern. Doch schnell stellte ich heraus, dass die arabische Übersetzung im dänischen Oberkommando fabriziert worden war.

Es ist fraglich, ob jetzt der Skandal mit dem Bauernopfer des "Sündenbocks" Jørgensen ausgestanden ist. Die liberale Tageszeitung Politiken kommentiert am Montag, dass niemand Verteidigungsminister Gade die politische Verantwortung für das "amateurmäßige Propagandamaterial" abnehmen könne. Vertrauen in Militär und Politik könne nur wieder hergestellt werden, wenn diese Geschichte vorbehaltlos aufgeklärt und aufgedeckt werde, welche Motive die Lancierung der selbst fabrizierten arabischen Übersetzung gehabt habe.

Die Buchaffäre zeige, dass das dänische Militär den Respekt vor der Demokratie verloren habe, meint der Soziologe Henning Sørensen: Dort habe sich eine Kultur entwickelt, die vergessen habe, dass man demokratischer Kontrolle unterstehe. Man gehe offenbar selbstverständlich davon aus, das Recht zuhaben, die Öffentlichkeit durch Zensur und gezielte Desinformationen zu manipulieren und im eigenen Interesse zu politisieren. Bleibe es nur bei dem Rücktritt des Oberbefehlshabers und würden keine anderen Konsequenzen gezogen, sei dies "bloße Symbolhandlung".

Der Regierung in Kopenhagen half der Übersetzungsbluff jedenfalls bislang zu vermeiden, dass eine grundsätzliche Debatte über das dänische Afghanistanengagement an Fahrt gewinnt. Das Soldatenbuch schildert nämlich Militäreinsätze, die JuristInnen als Verstoß gegen die Genfer Kriegsrechtskonvention bewerten.

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