Roma aus Dänemark abgeschoben: "Klarer Verstoß gegen EU-Recht"

Die Behörden schicken 23 Roma in ihr Heimatland Rumänien zurück. Jetzt könnte es zu einem Musterverfahren vor dem EU-Gerichtshof kommen.

Roma-Mädchen, aufgenommen nicht in Dänemark, sondern in Frankreich. Bild: reuters

STOCKHOLM taz | "Ein klarer Verstoß gegen EU-Recht" sei das, meint Robert Kushen, Direktor des "European Roma Rights Center" (ERRC) in Budapest. Das Zentrum hat sich jetzt des Falles von 23 Roma angenommen, die aus Dänemark ausgewiesen und mit einem zweijährigen Einreiseverbot belegt worden sind. Einige wegen illegalen Zeltens, andere wegen Hausfriedensbruchs.

Dass Gastfreundschaft nicht für jeden gilt, mussten vor einem Monat auch Roma aus Rumänien, EU-BürgerInnen, erleben, für die gleich eine halbe Hundertschaft der Polizei mobilisiert wurde, um ihr Zeltlager zu besetzen. Damit sich keiner unbemerkt in die Büsche schlagen konnte, kreisten auch noch Polizeihubschrauber über der Szene.

Hintergrund des Einsatzes: In den Schrebergartenkolonien am Rande der dänischen Hauptstadt gab es in diesem Sommer eine Reihe von Einbrüchen. Dabei blieben wertvollere Sachen wie Mikrowelle und Fernseher unangetastet. Jedoch alles, was Metallwert hatte und beim Schrotthändler leicht versilbert werden konnte, wurde entwendet.

Die Boulevardpresse blähte das Thema auf, und bald waren die vermeintlich Schuldigen gefunden: Die Diebe konnten nur aus der Gruppe der 200 Roma stammen, die sich teilweise bettelnd oder Pfandflaschen sammelnd in und um Kopenhagen aufhielten. Das war nur eine Vermutung, und es gibt kein förmliches Ermittlungsverfahren gegen einen Roma-Verdächtigen. Auf solch juristische Feinheiten nahm nicht mal Justizminister Lars Barfoed Rücksicht: "Lassen wir das zu und sorgen nicht dafür, dass die nach Hause geschickt werden, ist das ein Signal, dass Dänemark ein Land ist, in dem man auf Rastplätzen oder in verlassenen Gebäuden campieren kann, mit all der Kriminalität, die so etwas mit sich bringt."

Elf Roma wurden wegen "unerlaubtem Zelten" festgenommen und auf die Fähre nach Polen verfrachtet. Weitere zwölf, die in einem Lagerhaus übernachtet hatten, erfuhren wegen "Hausfriedensbruch" die gleiche Behandlung. Doch laut EU-Aufenthaltsdirektive, auf das sich das ERRC berufen will, hatten die Roma als EU-BürgerInnen das Recht, sich bis zu drei Monate in Dänemark aufzuhalten. Eine möglichen Ausweisungsgrund gibt es nur bei einer "reellen, unmittelbaren und ernsthaften Bedrohung grundlegender öffentlicher Interessen".

Bei mit Geldbuße bedrohten Delikten, wie ungesetzlichem Zelten, könne von einer Bedrohung der öffentlichen Ordnung keine Rede sein, meint John Handoll, irischer Anwalt und juristischer Berater der EU-Kommission in Fragen der persönlichen Freizügigkeit von EU-Bürgern.

Das ERRC hat einen Juristen nach Rumänien geschickt, um zur Vorbereitung eines Prozesses die 23 Ausgewiesenen zu befragen. Das gegen Dänemark geplante Verfahren könne große Bedeutung für die Rechte der Roma in ganz Europa haben, meint Jonas Christoffersen, Direktor des dänischen Menschenrechts-instituts "Institutt for Menneskerettigheder": Es könnte die Grenzen klarer definieren, ab wann das Recht auf Freizügigkeit nicht mehr gilt.

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