Sarkozys "Migrationspakt" vom Tisch: Legalisierung von Illegalen nicht illegal

Frankreichs Präsident Sarkozy muss erste Niederlage seiner EU-Ratspräsidentschaft hinnehmen. Sein "Migrationspakt" ist an den EU-Innenministern gescheitert.

Nicolas Sarkozy weiß: Das Leben läuft nicht immer wie auf Schienen Bild: dpa

Eine Union aus 27 Mitgliedsstaaten lässt sich nicht so leicht am Gängelband führen wie das heimische Kabinett. Diese schmerzliche Erfahrung musste Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy gestern machen, als er beim informellen Innenministertreffen in Cannes den lange angekündigten "Migrationspakt" präsentierte. Darin hätten sich alle Mitgliedsstaaten verpflichten sollen, künftig keine Legalisierungen illegaler Einwanderer im großen Stil mehr vorzunehmen. Bereits im Oktober hatte der französischen Einwanderungsminister Brice Hortefeux seinen spanischen Kollegen besucht und ihn auf diese Linie einzuschwören versucht. Denn die spanische Regierung hatte in der Vergangenheit mit ihrer großzügigen Legalisierungspraxis den Unwillen der französischen Nachbarn erregt.

"Der Europäische Rat kommt überein, sich im Rahmen der nationalen Gesetze auf fallweise und nicht allgemeine Regularisierungen aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen zu beschränken", heißt es nun in der Erklärung, die im Oktober auf dem Europäischen Rat in Brüssel abgesegnet werden soll. Damit könne Spanien gut leben, sagte Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba zufrieden. Die französische Regierung hingegen musste ihre Forderung, dass die Einwanderung künftig nicht mehr humanitären Grundsätzen, sondern wirtschaftlicher Logik folgen soll, zunächst aufgeben.

Die Gegner eines Modells, das möglichst nur noch nützliche Arbeitskräfte, aber nicht länger wirtschaftlich oder politisch bedrängte Menschen nach Europa lassen will, erhielten gestern auch wissenschaftliche Rückendeckung. Die Pariser Tageszeitung Le Figaro veröffentlichte Auszüge aus einer Studie, die vom französischen Immigrationsminister Hortefeux persönlich in Auftrag gegeben worden war. Wolle man eine Quote von mindestens 50 Prozent solcher Einwanderer erreichen, die für die heimische Wirtschaft nützlich sind, müsse man die Flüchtlinge an der Grenze selektieren, stellt die Kommission aus Parlamentariern aller Flügel, Juristen, Demografen und Ökonomen fest. Ein solches Vorgehen aber würde die französische Gesellschaft zutiefst spalten.

Kommissionsmitglieder wie der Sozialist Kofi Yamgnane, der eher rechts orientierte Demograf Gérard-François Dumont und sein der Linken zugerechneter Kollege Hervé Bras kommen gemeinsam zu dem Schluss, dass es für die französische Gesellschaft nicht bekömmlich wäre, Quoten für Arbeitsmigranten einzurichten, die Gesetze entsprechend zu ändern oder gar die Verfassung umzuschreiben. Die Wissenschaftler und Politiker empfehlen Frankreich, ihre Vorschläge auf europäischer Ebene weiter zu verfolgen. "Es ist heute unmöglich, tiefgreifende Änderungen in der Einwanderungspolitik außerhalb des europäischen Rahmens durchzusetzen", heißt es in der Studie.

Doch auch innerhalb der EU gibt es keinen Konsens für eine rein ökonomisch gesteuerte Einwanderungspolitik, wie die neue französische Ratspräsidentschaft gestern auf dem ersten von ihr organisierten Fachministertreffen feststellen musste. Die Zustimmung aller 27 Regierungen wäre aber erforderlich, da arbeitsmarktpolitische Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden können, solange der Lissabon-Vertrag nicht in Kraft ist.

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