Trotz Beweislast keine Ermittlungen: Polizisten dürfen Rassisten sein

Ermittlungsverfahren gegen drei schwedische Beamte wird eingestellt. Sie hatten Menschen ausländischer Herkunft beleidigt.

Rassismus bleibt hier folgenlos: die schwedische Polizei. Bild: ap

STOCKHOLM taz In Stockholm wurde am Dienstag Anklage gegen einen 15-Jährigen erhoben. Er hatte "Nöff, nöff"-Laute von sich gegeben, als ihm auf der Straße zwei Polizeibeamte begegneten. Und er hatte sich auch gleich wieder dafür entschuldigt. Doch das half nichts. Ihn erwartet nun ein Gerichtsverfahren wegen Beleidigung.

Am Freitag vergangener Woche hatte die schwedische Staatsanwaltschaft formal ein Ermittlungsverfahren gegen drei Polizisten eingeleitet. Sie hatten MitbürgerInnen ausländischer Herkunft als "Kanaken", "Affen" und "Teufel" bezeichnet und diesen mit willkürlichen Gewaltmaßnahmen gedroht. Entschuldigt haben sie sich dafür nicht. Das Ermittlungsverfahren dauerte nur einige Stunden, bis es wieder eingestellt wurde. Begründung: Den Beamten sei kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen.

"Schau ihn an, den Teufel, den Affen. Soll ich ihn steril machen, wenn ich ihn in die Finger bekomme?" Dem "Kanaken" werde man zeigen, dass er hier an die Falschen geraten sei. "Er wird so viele Schläge bekommen, dass er nicht mehr stehen kann."

Ein minutenlanger Wortschwall verächtlicher und rassistischer Kommentare schallte vergangene Woche in einem Gerichtssaal in Malmö aus dem Lautsprecher eines DVD-Recorders. Er stammte aus dem Munde der erwähnten drei Polizeibeamten.

Es ging um einen Prozess im Zusammenhang mit tagelangen teils gewaltsamen Unruhen kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres in Rosengård, einem Vorort mit hohem Migrantenanteil in Schwedens drittgrößter Stadt Malmö. Die Staatsanwaltschaft hatte als Beweismittel gegen "Rädelsführer" ein Video vorgeführt, das aus einem Polizeibus heraus aufgenommen worden war. Und die Polizei hatte offenbar versäumt, vorher die Tonspur zu löschen. So war ein Teil der Gespräche, die die Beamten führten, die im Bus auf einen Einsatz warteten, aufgezeichnet worden. Sie konnten wenige Stunden nach der Vorführung im Gerichtssaal von jedermann im Internet abgerufen werden.

Die Empörung war groß. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft zeigte sich "zutiefst unglücklich" - vor allem, weil "die Öffentlichkeit solch ein Bild von der Polizei" bekäme. Integrationsministerin Nyamko Sabuni betonte: "Wir werden nie mit den Steinewerfern in Rosengård fertig werden, wenn die Polizei keinen Respekt für die dortigen Menschen zeigt." Der oberste schwedische Polizeichef war "bestürzt", meinte aber, dass diese Gespräche im Polizeibus der Einstellung von 99 Prozent der PolizistInnen nicht entsprächen.

Daran durfte man gleich wieder zweifeln, als in der Debatte über solcherart Polizeirassismus einer Zeitung Unterrichtsmaterial zugespielt wurde, das in einem Rollenspiel zur Ausbildung von Beamten verwendet worden war. Das Ganze spielte sich wieder in Malmö ab, der Stadt, in der schon lange landesweit die größten Spannungen zwischen Ordnungshütern und Jugendlichen in Einwanderervororten herrschen. In diesem Kurs der Regionalpolizei figurierten fiktive Personen ausländischer Herkunft als "Oskar Neger" und "Neger Niggersson".

Einige KursteilnehmerInnen hatten sich über diese Namenswahl auch beschwert und meldeten den Vorgang dem örtlichen Polizeichef. Der hatte schon Anfang Januar von dem Video Kenntnis, das letzte Woche vorgespielt wurde. Er unternahm jedoch in beiden Fällen nichts und versetzte die fraglichen Beamten intern erst, als der Skandal öffentlich wurde. "Wer sich darüber wunderte, warum ein Teil der Jugendlichen aus Rosengård Steine auf Polizisten warf, hat jetzt zumindest eine teilweise Erklärung bekommen", schreibt die Stockholmer Tageszeitung Aftonbladet. REINHARD WOLFF

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