Grüner Cohn-Bendit im Wahlkampf: Schlagabtausch mit Spaßfaktor

Der Promi-Grüne Daniel Cohn-Bendit tritt in Brüssel gegen den irischen Europakritiker und Libertas-Parteichef Declan Ganley an: Eine denkwürdige Begegnung.

Cohn-Bendit im Wahlkampf: Entspannt, aber schlagfertig. Bild: ap

BRÜSSEL taz Im Raumschiff Brüssel wird zwar viel Politik gemacht, aber wenig Wahlkampf. Auch bei der Anfang Juni anstehenden Europawahl sind Listenaufstellung und Themen national geprägt. Deshalb brachte Brüssels erstes echtes Wahlkampfduell am Mittwochabend Menschenmassen auf die Beine. "The Big Debate" - zwischen dem Libertas-Gründer Declan Ganley und dem Promi-Grünen Daniel Cohn-Bendit musste in letzter Minute in einen größeren Saal verlegt werden.

Der Gegensatz zwischen den beiden Kontrahenten könnte größer nicht sein. Hier der kahl geschorene, glatt gebügelte Ganley in elegantem Anzug und Krawatte, dort der zerwuschelte, temperamentvolle Cohn-Bendit in T-Shirt und Hemd. Wie schon bei anderen Auftritten ließ der Erfinder der paneuropäischen Partei Libertas sein Publikum zwanzig Minuten warten. Das gehört zu dem von ihm gepflegten Image des überlasteten Unternehmers, der seine letzte Kraft hingibt, um eine dringend benötigte, für mehr Transparenz kämpfende europäische Partei voranzubringen. Cohn-Bendit hingegen war pünktlich vom Europaparlament zum Veranstaltungsort geschlendert und verplauderte die Wartezeit mit Fans und Freunden.

Er wirkte wie ein Mann, der ein Heimspiel hat. Doch schon nach wenigen Minuten war klar, dass es so einfach dann doch nicht werden würde. Moderator Paul Adamson stellte die Grünen als liebe, aber belanglose Sonnenblumenpartei vor. Cohn-Bendit fiel ihm sofort ins Wort - und kam ins Stolpern. Für Adamson und Ganley ist Englisch die Muttersprache, für Cohn-Bendit ein Vehikel der Verständigung, das er nicht unfallfrei in die engsten Verästelungen der Debatte hinein steuern konnte.

Doch gestenreich und stimmgewaltig gelang es dem Politprofi dann doch schnell, die wunden Punkte seines Gegners zu treffen. Warum hat Ganley bis heute nicht offengelegt, wer seine Anti-Verfassungskampagne in Irland bezahlt hat? Welche Rolle spielen dabei seine engen Geschäftsbeziehungen in die amerikanische Rüstungsindustrie? Wer finanziert den Libertas-Wahlkampf, der die Partei in möglichst vielen Mitgliedstaaten bekannt machen soll? Hatte Ganley beim Anlageskandal in Albanien, der Ende der 90er-Jahre Hunderttausende um ihr Erspartes brachte, seine Hände im Spiel? Und warum darf Maciej Marian Giertych auf der polnischen Libertas-Liste kandidieren, ein Schwulenhasser und Antisemit?

Diese letzte Frage wischte das gleichmütige Lächeln aus Declan Ganleys Gesicht. Wer? "Giertych", erklärte Cohn-Bendit mit einem freundlichen Winken in Richtung des Angesprochenen. "Da drüben sitzt er." Für Ganley war das der Moment, seinen Notfallplan auszupacken. Statt auf die Fragen einzugehen, zog er eine englische Übersetzung des 1975 von Cohn-Bendit verfassten Kinderladenbuchs "Le Grand Bazar" aus der Tasche und las eine Szene vor, die sexuelle Handlungen zwischen dem Verfasser und betreuten Kindern andeutet.

Das Brüsseler Publikum hielt den Atem an. Zumindest für jene im Saal, die mit dem politischen Diskurs der 70er-Jahre in Deutschland und Frankreich nicht vertraut sind, ist ein solches Zitat zutiefst abstoßend. Eine junge Frau hielt sich die Ohren zu, eine andere brach in Tränen aus. Und Cohn-Bendit, den Ganley den ganzen Abend über in leicht herablassendem Ton als "Dany" ansprach, sagte ruhig: "In dieser Zeit wurde eine Menge Mist geschrieben, und einiges davon war von mir." Im Übrigen habe er 500 Euro gewettet, dass Ganley mit dieser alten Geschichte ankommen würde.

Dann endlich durfte das Publikum seine Fragen loswerden. Es interessierte sich weniger für Ganleys unternehmerische Vergangenheit und Cohn-Bendits jugendliche Irrungen als für die Frage, was der Libertas-Gründer eigentlich politisch im Schilde führt. "Sie sagten, Sie hätten eigentlich Besseres zu tun, als eine Partei zu gründen. Doch irgendjemand müsse ja für mehr Transparenz sorgen", kommentierte eine junge Frau aus dem Publikum. "Das letzte Mal hörte ich diesen Satz in Italien - von Silvio Berlusconi." Lauter Beifall im Publikum. Spätestens da war klar: Brüssel mag ihn nicht, den erfolgreichen Unternehmer und sauberen Familienvater Declan Ganley.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.