Nach der Londoner Bürgermeisterwahl: Schwere Wochen für Gordon Brown

Nach der Niederlage der Labour Party bei den britischen Kommunalwahlen und dem Verlust des Londoner Bürgermeisterpostens könnten auch die Tage des Regierungschefs gezählt sein.

Brown sieht immer aus wie ein Mann, der sich fragt, ob er das Gas abgestellt hat, obwohl er zweimal nachgeschaut hatte, bevor er das Haus verließ" Bild: dpa

DUBLIN taz Bei der britischen Labour Party herrscht offene Panik, nachdem am späten Freitagabend das Ergebnis der Londoner Bürgermeisterwahl bekannt gegeben wurde: Labour-Amtsinhaber Ken Livingstone muss seinen Stuhl nach acht Jahren für den 43-jährigen Tory-Herausforderer Boris Johnson freimachen. Immerhin gewann Livingstone mit 46,8 Prozent fast doppelt so viele Stimmen wie die Labour Party, die bei den Kommunalwahlen am Donnerstag mit 24 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1968 einfuhr. Sie verlor 331 Bezirksverordnete.

Livingstone galt als unbesiegbar. Sogar Expremierministerin Margaret Thatcher glaubte das. Sie schaffte in den Achtzigerjahren den Rat von London ab, weil sie keinen Tory-Kandidaten für fähig hielt, gegen Livingstone zu bestehen. Johnson hat es geschafft, weil er noch exzentrischer als Livingstone ist, was bei Bürgermeisterwahlen offenbar von Vorteil ist: In Hartlepool wurde einmal das als Affe verkleidete Maskottchen des lokalen Fußballvereins zum Bürgermeister gewählt.

Es gibt auch eine Reihe anderer Gründe für Livingstones Niederlage. Da waren die Vorwürfe, dass er seinen engsten Freunden gutbezahlte Jobs im Rathaus verschafft habe. Dann hat Livingstone, der früher einmal der "rote Ken" hieß, seine linken Anhänger verprellt, als er den antisemitischen und homophoben islamischen Geistlichen Yusuf al-Qaradawi zu einem Gespräch nach London einlud. Und Livingstones korrekte Einschätzung, dass Johnson ein reaktionärer Rassist sei, der Afrikaner als "Negerbabys mit Wassermelonengrinsen" bezeichnet hatte, wurde dadurch untergraben, dass er ihn andererseits als versponnenen Polit-Clown verspottete.

Johnson hatte 1,5 Millionen Pfund für seinen Wahlkampf zur Verfügung - weit mehr als Livingstone. Einen Teil des Geldes verwendete er darauf, die Bewohner aus den Londoner Randbezirken zum Wählen zu bewegen, indem er ihnen verbesserte öffentliche Verkehrsmittel und verschärfte Maßnahmen gegen jugendliche Messerstecher versprach.

Der wichtigste Grund für Livingstones Niederlage aber ist seine Verbindung zu Labour und zu Premierminister Gordon Brown. "Brown sieht immer aus wie ein Mann, der sich fragt, ob er das Gas abgestellt hat, obwohl er zweimal nachgeschaut hatte, bevor er das Haus verließ", sagt Kenny Farquharson, der stellvertretende Chefredakteur von Scotland on Sunday. "Wie kann er um das Vertrauen der Öffentlichkeit werben, wenn er so offensichtlich von Selbstzweifeln geplagt wird?" So schnell wie Brown hat noch kein Premier seine Popularität verspielt. Labour-Hinterbänkler Graham Stringer sagte, die Minister diskutierten heimlich, ob man Brown absägen solle. "Einerseits stellen sie öffentlich ihre Loyalität zur Schau, andererseits sind sie innerlich verzweifelt", sagte er.

Brown ergriff am Wochenende Rettungsmaßnahmen. Er strich einige unbeliebte Steuererhöhungen. Er versprach, die Vorwürfe von Preisabsprachen der Supermärkte untersuchen zu lassen. Und er will über die geplante Gebührenerhöhung für die Müllabfuhr nachdenken. Sein Kabinett riet ihm zudem, sich weniger um Afrika und den Klimawandel zu kümmern, sondern sich auf die Sorgen und Nöte der unteren Einkommensschichten zu konzentrieren.

Es stehen ihm schwere Wochen bevor. Wegen des Todes der Labour-Abgeordneten Dunwoody findet am 22. Mai eine Nachwahl in Crewe statt. Kurz darauf stimmt das Unterhaus über Browns Steuerpläne ab. Im Juni entscheiden die Abgeordneten über Browns Vorhaben, die Internierung von Terrorverdächtigen auf 42 Tage zu verlängern. Verliert Brown, könnten seine Tage gezählt sein. Farquharson glaubt das nicht: "Die Labour Party hat Brown am Hals. Jeden Versuch, den Chef auszuwechseln, würden die Wähler bestrafen. Die Partei muss warten, bis er 2010 bei den Parlamentswahlen besiegt wird, bevor sie in die nächste Phase treten und sich in der Opposition neu ordnen kann."

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