Atomkritiker aus Niger darf nicht einreisen: Unerwünscht in Deutschland

In Frankreich ist Aghali Mahiya aus Nigers Urangebiet als Flüchtling anerkannt. In Deutschland vor Atom-Demonstranten zu sprechen, bleibt ihm versagt.

Aghali Mahiya darf nicht auf der Anti-Atom-Demonstration in Berlin reden. Bild: dorothea hahn

PARIS taz | "Wir erleben den Uran-Abbau unter freiem Himmel seit 40 Jahren. Wir haben neue Krankheiten wie Hautkrebs bekommen. Wir finden immer weniger Sträucher für unser Vieh. Unser Grundwasserniveau ist radikal gesunken. Und auf unserem Land türmen sich neue Hügel von Atommüll." Das möchte Aghali Mahiya, 50-jähriger Tuareg und ehemaliger Beschäftigter einer Uran-Mine im Norden von Niger, am Samstag gerne den Anti-Atom-DemonstrantInnen in Berlin sagen. Er will hinzufügen: "Je mehr Atomkraftwerke ihr in Europa baut, desto stärker wird unsere Region verwüstet."

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hat Aghali Mahiya zu der Demonstration "Mal richtig abschalten" nach Berlin eingeladen. Doch vermutlich wird nichts aus seiner Reise. Vermutlich kann er nicht über den Zusammenhang zwischen Wahlen in Deutschland und der Zerstörung seines Landes, des ärmsten von Afrika, sprechen. Denn bis gestern Nachmittag hatten die Berliner Ausländerbehörden Mahiyas Antrag auf "Betretungserlaubnis" nicht bewilligt.

In Frankreich, wo Mahiya seit Ende 2007 lebt, hat Mahiya den Status eines anerkannten politischen Flüchtlings. Aber als er im Juni auf der Rückreise von einem Anti-Atom-Treffen in Österreich im Zug Süddeutschland durchquerte, holte ihn eine eifrige Polizistin aus dem Zug. Nach mehreren Stunden auf der Wache von Rosenheim wurde Mahiya gegen Kaution des Landes verwiesen.

Bevor Mahiya vor zwei Jahren aus Niger nach Frankreich floh, war er Mitglied in der FPN (Nigrische Patriotische Front), eine von drei Tuareg-Rebellenbewegungen, die mit libyscher Unterstützung gegen das Regime in Niamey kämpfen. 2007 spitzte sich die Repression zu, mit Gefangennahmen und Folter. "Mir ist es gelungen, rechtzeitig außer Landes zu kommen", sagt Mahiya.

Die Wüstenregion, aus der er stammt, birgt gigantische Uran-Vorkommen. Frankreich bezieht den größten Teil seines Uran-Nachschubs von dort. Auch andere Länder benutzen das nigrische Uran. Im März vereinbarte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei einem vierstündigen Blitzbesuch in Niamey einen Vertrag über den Ausbau und die Intensivierung des Uranabbaus. Der französische Konzern "Areva" bekam nach langen und komplizierten Verhandlungen mit der Regierung Nigers den Zuschlag für die nächsten 35 Jahre. Gleichzeitig vergab das Regime von Präsident Mamadou Tandja kleinere Abbaugenehmigungen an andere Länder wie China, Indien und Kanada.

Aus seinem französischen Exil versucht Mahiya nun mit der Bürgerinitiative "Areva macht nicht das Gesetz im Niger" gegen den Uran-Abbau und dessen Bedingungen vorzugehen. Seit 40 Jahren, so seine Klage, hat die örtliche Tuareg-Bevölkerung "keine Vorteile" von dem Riesengeschäft mit Nigers Uran gehabt: "Tuareg werden nur selten in den Uran-Minen angestellt. Und wer dort arbeitet, bekommt einen miserablen Lohn." Erst vor zwei Jahren habe die Regierung 19 Rathäuser in den Ortschaften in der Region geschaffen, an die "10 bis 15 Prozent der Einnahmen des Niger" aus dem Uran-Geschäft vergeben werden. Dort sind seither Elektrizitätsversorgung und Wasseranschluss im Gespräch.

Doch mit den neuen, erweiterten Uran-Abbaugenehmigungen verschlechtere sich die Lage der Tuareg weiter, erklärt Mahiya: "Die Grundwasservorräte sind nicht ausreichend für den intensiven Uranabbau." Der Wassermangel wird sich, so befürchtet er, als Erstes auf die örtliche Viehwirtschaft auswirken.

Als Ersatz für seine verhinderte Rede in Berlin wird Mahiya am ersten Wochenende im Oktober bei einer Demonstration gegen das französische Atomkraftwerk Fessenheim auftreten. Wer mag, kann ihn dann in Colmar hören.

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