Kurven-Saison: Alles in Ordnung bei Werder

Die klare Pokalniederlage gegen Bayern ist nur ein Wermutstropfen in einer sonst erfolgreichen Saison von Bremen. Aber für die Champions League muss das Team verstärkt werden.

Muss sich nicht verstecken, auch wenn er gegen die Bayern vom Platz flog: Werders neuer, alter Leitwolf Torsten Frings (l.). Bild: dpa

Als Bayern-Trainer Louis van Gaal die Bühne zur Pressekonferenz nach dem Pokalfinale betrat, griff er als Erstes eine Frage auf, die Thomas Schaaf unbeantwortet gelassen hatte. "Sie haben gefragt, warum Marko Marin nicht gespielt hat - ich sage Ihnen, das war wegen der Ordnung."

Den Bremern steckte die glimpflich ausgefallene 2 : 3-Heimniederlage gegen die Münchner vom Januar offenbar noch gehörig in den Knochen. Sehr tief gestaffelt begegneten sie im Olympiastadion dem Münchner Angriffswirbel und beraubten sich damit ihrer eigenen Stärke, der Offensive.

Dabei hätten sie befreit aufspielen und einen großzügigeren Beitrag zur Pokal-Party leisten können. Anders als im vorigen Jahr hatte die Mannschaft bereits das Europa-Ticket gelöst und mit der Champions League-Qualifikation das Saisonziel erreicht. Aber es scheint der Charakter der aktuellen Werder-Generation zu sein, nur dann alles auszupacken, wenn es wirklich darauf ankommt. So wie in den letzten 14 Saisonspielen, in denen Werder nur einmal verlor und 16 Punkte auf Bayer Leverkusen aufholte.

Werders Saisonverlauf lässt sich in drei Phasen aufteilen: Nach einem Holperstart folgte eine Serie von 14 Spielen ohne Niederlage. Höhere Ambitionen verspielten die Grün-Weißen dann in den komplett erfolglosen Monaten Dezember und Januar, bis sie im Endspurt noch die Angst vor dem dauerhaften Versinken im Bundesliga-Mittelmaß vertreiben konnten.

Diese Fieberkurve verlief nahezu parallel zur Formkurve von Mesut Özil, der ebenfalls ein Wintertief durchschritt, um im Frühjahr wieder aufzublühen. Der Jung-Nationalspieler hat seinen neuen Freiraum ohne den überragenden Diego meist ausgenutzt, auch wenn er im Pokalendspiel genauso ausgebrannt wirkte wie seine Mitspieler. Paradoxerweise hat der Verlust des genialen Brasilianers dem Bremer Spiel insgesamt gutgetan.

Es gab zwar weniger Szenen zum Zungeschnalzen, dafür kreierte Thomas Schaaf mit Özil, Marin, Hunt und Pizarro ein magisches Viereck. In seinen besten Phasen drehte es zum Hochgeschwindigkeits-Kreisel auf, der die Gegner schwindlig spielte, wie beim 6 : 0 in Freiburg. In den letzen Saisonspielen inklusive des Pokalfinales opferte Thomas Schaaf dann Marko Marin, der nach verhaltenem Beginn immer stärker geworden war, der taktischen Disziplin.

In den vergangenen Jahren war bei Werder oft von der mangelnden Balance zwischen Offensive und Defensive die Rede, vorne hui, hinten pfui. Dass Thomas Schaaf hier die perfekte Abstimmung immer noch nicht gefunden hat, zeigten gerade die beiden Spiele gegen die Bayern in diesem Jahr. Dem Lauf ins offene Messer folgte jetzt ängstlicher Ordnungswahn. Die Bayern zeigten dagegen, wie kompakt und harmonisch eine Spitzenmannschaft nach vorn und hinten gleichermaßen arbeitet.

Wenn Werder in die Champions League und dort die Gruppenphase überstehen will, muss das Team in allen Mannschaftsteilen verstärkt werden. Vorne braucht Claudio Pizarro einen starken Strafraumstürmer als Partner. Hugo Almeida war in dieser Saison nur dann stark, wenn er als Joker eingewechselt wurde. Dahinter, im offensiven Mittelfeld, besteht neben der Innenverteidigung der geringste Veränderungsbedarf.

Anders sieht es auf der Doppel-Sechs aus. Philipp Bargfrede hat sich großartig entwickelt, aber es ist fraglich, wie oft Torsten Frings mit seiner aufwändigen Spielweise noch den Kraftakt aufbringen kann, der ihn in der Rückrunde wieder zum Leitwolf gemacht hat. Hier würde den Bremern sicher eine spielstarke Alternative vom Typ eines Bastian Schweinsteiger guttun.

Weit offen ist die Dauerbaustelle auf der linken Abwehrseite: Es ist möglicherweise ungerecht, ein Duell gegen Arjen Robben zum Maßstab zu nehmen - aber die Leistung von Sebastian Boenisch im Pokalfinale schrie nach einer kurzfristigen personellen Lösung für diese Position. Auch wenn der Ex-Schalker noch über unausgeschöpfte Potenziale verfügen sollte - für die Champions League reicht es so nicht.

Zurückerobert hat Werder aber jetzt schon die Spitzenposition im Norden. Der VfL Wolfsburg ist nach dem Magath-Weggang wieder auf Normalmaß gestutzt und der HSV, der sich nach dem 2 : 1-Sieg in der Hinrunde schon als Nummer 1 wähnte, guckt ohne sportliche Führung und Europa-Ticket wieder mit dem Fernglas nach Bremen. Also alles in Ordnung an der Weser.

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