VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen: Alles läuft falsch

Der Meister verliert das dritte Spiel in Folge und erkennt den Fehlstart an. Für das 2:3 gegen Leverkusen wird erweiterte Ursachensuche betrieben. Im Blickpunkt: der Schiri.

Wolfsburgs Obafemi Martins kann es nicht fassen. Letzte Saison noch der Meister, diese Saison schon der Loser. Bild: dpa

Alles läuft falsch

Es mit Menschen zu tun zu haben kann ein Problem sein. Denn der Mensch als solcher macht Fehler. Beim Fußball ist das besonders vertrackt, wenn es sich bei dem irrenden Menschen um den Schiedsrichter handelt. Anders als ein Spieler kann ein Unparteiischer einen kapitalen Fehler nicht wieder gutmachen. Weder durch nachfolgende korrekte, noch durch ausgleichende falsche Entscheidungen. Felix Brych lieferte in Wolfsburg gleich das ganze Programm.

Der Jurist selbst sagte nach der Partie, seine Urteile seien im "schwebenden Verfahren", weshalb er sich also nicht weiter äußern, sondern erst einmal eine Niederschrift anfertigen wollte. Praktisch alle anderen Beteiligten waren nach der 2:3-Niederlage des VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen willens, die Leistung des Münchner Unparteiischen, nun: nicht mal parteiisch, nur völlig missraten zu finden. Leverkuseners Sportchef Rudi Völler fasste zusammen: "Das Erste war kein Platzverweis, die anderen Entscheidungen waren natürlich auch falsch."

VfL Wolfsburg: Benaglio - Riether, Madlung, Barzagli, Schäfer (57. Dzeko) - Josué - Hasebe (34. Lenz), Gentner (76. Johnson) - Misimovic - Grafite, Martins

Bayer Leverkusen: Adler - Castro (68. Touré), Friedrich, Hyypiä, Sarpei - Vidal, Rolfes - Renato Augusto (87. Zdebel), Barnetta (77. Kroos) - Kießling, Derdiyok

Schiedsrichter: Brych (München) - Zuschauer: 27 000

Tore: 0:1 Rolfes (38.), 0:2 Rolfes (51./Foulelfmeter), 0:3 Kießling (58.), 1:3 Misimovic (76.), 2:3 Grafite (80./Foulelfmeter)

Gelbe Karten: Barzagli (1), Grafite (2), Martins (1), Riether (1) / Castro (1), Hyypiä (2)

Gelb-Rote Karten: - / Derdiyok (53./wiederholtes Foulspiel)

Rote Karten: Benaglio (32./grobes Foulspiel) / -

Beste Spieler: Misimovic / Hyypiä, Rolfes

Das Erste geschah in der 32. Minute einer bis dahin für ein Spitzenspiel mittelmäßigen Vorstellung, als Brych Diego Benaglio des Feldes verwies. Der VfL-Torhüter war jenseits des Strafraums Eren Derdiyok entgegengestürmt. Das wirkte ziemlich wild, doch erstens zog Benaglio nicht zur brutalen Attacke durch, sondern das Bein zurück, zweitens war er nicht letzter Mann. VfL-Spieler wollten mitbekommen haben, dass sogar der Leverkusener Stürmer selbst Brych erklärt habe, er sei nicht gefoult worden. Derdioyk widersprach dem später. Zwischenzeitlich war auch er selbst Brych ins Visier geraten und schwer erbost über die Gelb-Rote Karte, die er in der 53. Minute für wiederholtes Foulspiel gesehen hatte. Es war eine der von Völler als "natürlich auch falsch" etikettierten Entscheidungen.

Als beide Teams derart dezimiert waren, stand es bereits 2:0 für Leverkusen. Das erste Tor erzielte Simon Rolfes, kurz nachdem André Lenz angetreten war, Benaglio würdig zu vertreten. In der 51. Minute verwandelte Rolfes einen Elfmeter. Das vorausgegangene Foul Andrea Barzaglis an Derdiyok war ausnahmsweise unstrittig. Vielleicht hatte der Leverkusener nun einfach genug davon, immer im Mittelpunkt zu stehen. Kurz nach seinem Rauswurf erhöhte Kießling mit seinem 5. Saisontor auf 3:0. Noch aber mochte Wolfsburg die dritte Pleite in Folge nicht akzeptieren. Zvjezdan Misimiovic gelang mit einem butterweichen Freistoß über die Mauer das 1:3, in der 80. Minute verwandelte Grafite einen Foulelfmeter zum 2:3. Vorausgegangen war: eher kein Foul.

Brychs Aktionismus überlagerte die eigentlich interessanten Fragen der Begegnung. Besonders beim angeschlagenen Meister: etwa dass Stürmer Edin Dzeko in der Startelf Obafemi Martins Platz machen musste; dass der VfL sich schwertut mit dem von Trainer Armin Veh gewünschten Kombinationsspiel; dass es Schwierigkeiten mit der Besetzung im rechten Mittelfeld gibt; auch dass die Abwehr Koordinationsprobleme zeigt. Veh bilanzierte, sechs Punkte nach fünf Spieltagen seien "ein Fehlstart, das bleibt". Ihn trieb grimmigen Zorn um, denn ihm schwant: Brychs Beitrag zur VfL-Baisse interessiert schnell keinen mehr. Nun ist allerdings Brych auch kaum noch für Wolfsburgs Niederlagen gegen den HSV und Bayern verantwortlich zu machen.

Immerhin hat der VfL mit Stuttgart, Hamburg, München und Leverkusen gegen vier der stärksten Ligateams nun schon gespielt. Hoffnungsvoll sieht Misimovic da das morgige Champions-League-Debüt gegen ZSKA Moskau als Chance, "Selbstvertrauen zu tanken".

Bayer hingegen könnte in dieser Saison davon profitieren, nicht international zu spielen. Allein schon die Nationalmannschaftseinsätze seiner bunten Truppe empfindet Heynckes als Angriff auf sein Trainingsprogramm. Die Jungs sind viel unterwegs, und dann kommt auch noch die Hälfte von ihnen verletzt oder krank zurück. Wie soll der Trainer da seine spielerischen Visionen an den Mann bringen? Andererseits: Trotz all der Unbill stehen die Leverkusener ja nicht wie die Wolfsburger bis zu den Knien in Sorgen und Ligamittelmaß, sondern sind punktgleich mit Tabellenführer Hamburg. Vernünftigerweise nennen sie alle es eine "Momentaufnahme". Was die Werkself früh in der Saison leistet, ist bedingt aussagekräftig, ihre Einbrüche kommen traditionell später. Das ist Leverkusens menschlicher Faktor.

KATRIN WEBER-KLÜVER

"Das Erste war kein Platzverweis, die anderen Entscheidungen waren natürlich auch falsch", sagt Völler

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