Skispringen in Österreich: Alpine Hochkultur

Österreichs Flieger überzeugen bei der Schanzentournee und verspüren allenfalls "köstlichen Druck". Sie profitieren von der Jugendförderung und von cleveren Coaches.

Gewann das Springen am Dienstag: Der Österreicher Schlierenzauer Bild: dpa

GARMISCH-PARTENKIRCHEN taz Am Ende des Termins sagt der Pressesprecher der österreichischen Skispringer, man könne gerne einen Blick in den Raum werfen, in dem die Athleten ihr Krafttraining absolvieren. Aha, kommt man hier also dem Geheimnis der Mannschaft auf die Spur? Lässt sich hier vielleicht, im Kellerraum eines großen Hotels, ergründen, warum Austrias Athleten der Konkurrenz davonfliegen? Die Springer stemmen ein paar Gewichte, Ko-Trainer Marc Nölke überwacht das Training per Laptop. Nein, falls die Österreicher eine Reihe von Geheimrezepte hüten, sind sie hier nicht zu finden. Eigentlich braucht es auch keine verdeckten Ermittlungen: Im österreichischen Team reden sie alle offen über den Erfolg.

Dass Morgenstern mit sechs von sieben möglichen Siegen im Weltcup zur Tournee gereist ist und auch in Oberstdorf gewonnen hat, nennt Skisprungchef Toni Innauer "einen köstlichen Druck, denn er steht ja ganz besonders im Blickpunkt". Auf der Olympiaschanze von Partenkirchen lief es gestern gewohnt gut fürs rot-weiß-rote Team. Gregor Schlierenzauer sprang im zweiten Durchgang noch zum Sieg; Morgenstern wurde Sechster, der Deutsche Michael Neumayer überraschend Dritter. Dass sich die Aufmerksamkeit auf die Österreicher konzentriert, hätten die ja auch ganz schrecklich finden können, und die Öffentlichkeit hätte man verdammen können für ihr Interesse an den Gaudiburschen. Trainer Alexander Pointner aber sagt: "Das ist keine Belastung, sondern eine Bereicherung."

Es ist nicht nur Morgenstern alleine, der in der Alpenrepublik für so große Aufmerksamkeit sorgt. Ein ganzes Team junger, aufstrebender Athleten mischt den Weltcup auf. Schlierenzauer, im Vorwinter nur knapp am Tourneesieg vorbeigeschrammt, hält sich mit noch nicht mal 18 Jahren in der Weltspitze. Und andere begabte Nachwuchskräfte warten nur darauf, dass sie aufsteigen können in die erste Liga der Flieger. Die junge Garde präsentierte sich so stark, dass für den einstigen Tourneesieger Andreas Widhölzl und dem jahrelang erfolgreichen Martin Höllwarth kein Platz mehr ist im Nationalteam. Die Stimmung im Team sei prima, "und das ist kein Theater, das ist wirklich so", versichert Andreas Kofler, der in Oberstdorf gestürzt war, aber am Neujahrstag schon wieder antreten konnte.

Wenn Trainer Pointner zu Erklärungen ansetzt, wird er grundsätzlich. Er habe eine "lang angelegte Vision. Mir war schon als Trainer im Landesverband Tirol wichtig, eine komplette Mannschaft zu formen". Nun fordert er auch vom Weltcupteam ein, "dass Erfahrungen ausgetauscht werden". Natürlich sei Skispringen eine Individualsportart, und "runterspringen muss jeder selbst, aber bis dahin möchte ich, dass wir den Weg gemeinsam gehen".

"Alexander will jedem ein so hochwertiges Training geben, als wäre er der Star des Teams. Das ist viel aufwändiger, als wenn man sich ein, zwei Springer ausschaut und sie besonders fördert", sagt Innauer. "So bringen wir auf breiter Ebene Spitzenleistungen, ohne den wichtigen Konkurrenzgedanken in der Mannschaft zu gefährden. Denn auch Konkurrenz kann Energie freisetzen." Bei den Weltmeisterschaften 2005, 2007 und bei Olympia 2006 ging Teamgold an Österreich.

Der Verband kann sich auch auf seine Talentsucher in den Skivereinen verlassen. "Goldsucher" nennt Innauer die ehrenamtlichen Jugendtrainer. "Da ist so viel Leidenschaft für den Sport dabei, das lässt sich nicht kopieren." Womit wir beim Deutschen Skiverband wären. Dort hat man einen Raubkopie-Versuch unternommen: Sieben Trainer aus Österreich sind abgeworben worden und sollten auch in Deutschland für Erfolg sorgen. Hat bislang aber nicht funktioniert. Von den Herren Heinz Kuttin, als B-Kader-Trainer stationiert in Oberhof, und Stefan Horngacher, Coach in Hinterzarten, gibt es Störfeuer Richtung Bundestrainer Peter Rohwein. Das passt nicht zur in Österreich propagierten engen Zusammenarbeit zwischen den Trainern aller Kader. Pointner muss deshalb ein wenig lächeln, wenn er auf die abgewanderten Kollegen angesprochen wird: "Das sind sicher gute Trainer, aber die Kultur haben sie nicht mitgenommen."

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