Genua-Spieler Antonio Cassano: Auf einer rosa Wolke

Antonio Cassano, einst selbstverliebter Trickser, soll Sampdoria Genua in die Eliteklasse führen. Bremen, Gegner in der Qualifikation, kann ihn nicht schrecken.

Antonio Cassano macht gern Späßchen mit seinen Mannschaftskollegen. Bild: dpa

Antonio Cassano lässt das Mausen nicht. Das Schlitzohr aus den Armenvierteln der süditalienischen Hafenstadt Bari marschiert zwar schon stramm auf die 30 zu. Als neu berufener Regisseur der Squadra Azzurra ist er auch im Zentrum des italienischen Fußballer-Lebens angekommen. Doch Dumme-Jungen-Streiche verübt er noch immer gern. Beim Training der Nationalmannschaft klaute er das Handy von Altstar Luigi Riva.

Als der erschreckt den Verlust seines Kommunikationstools bemerkte, schlenderte Cassano herbei und löste die Sache auf. Er konnte sich dabei die Bemerkung nicht verkneifen: "Weißt du, als Junge hatte ich einen alternativen Job, um überhaupt etwas zu essen zu bekommen."

So wie Cassano jetzt Handys aus Spaß klaut und so häufig er - glaubt man den Legenden - an diversen privaten Konsumgüterenteignungsverfahren im Bari der 90er-Jahre beteiligt war, so viel Spaß macht es ihm jetzt, dem Gegner den Ball wegzuschnappen, ihm Knoten in die Beine zu spielen, gelegentlich ein Tor aufzulegen (zehn Stück in der vergangenen Saison) und immer häufiger auch eines zu machen (elf in der letzten Spielzeit).

Cassano ist ein trickreicher Spieler geblieben, aber er hat die mannschaftsdienlichen Seiten seiner Tätigkeit entdeckt. Nicht zuletzt wegen dieser Wandlung hat sein aktueller Verein Sampdoria Genua eine Aufwärtsentwicklung genommen.

Dass die am Mittwoch im Duell mit Werder Bremen (20.45 Uhr, Sat.1) sogar bis an die Tore der Champions League führt, war nicht unbedingt zu erwarten. Aber zeitgleich mit dem Abrutschen von Juventus legte Sampdoria eine solide Saison hin. An der Seite von Cassano machten Spieler wie der stoische und zweikampfharte Ballverteiler im Mittelfeld, Angelo Palombo, der wuchtige Stürmer Giampaolo Pazzini und der wieselflinke Andrea Poli beachtliche Qualitätssprünge.

Gegen Werder will Cassano ihnen zu einem weiteren Erfolgserlebnis verhelfen. "Ich weiß, keiner von ihnen hat Erfahrungen in diesem Wettbewerb. Aber ich werde sie schon richtig darauf einstellen", meinte er gegenüber der Gazzetta dello Sport.

Die erste Vorbereitungslektion bestand darin, den Kontrahenten auf ein handliches Maß zu reduzieren. Werder sei eine "große Mannschaft. Aber wir können mithalten. Wenn der Gegner Sevilla oder Tottenham geheißen hätte, dann hätte ich schon meine Zweifel gehabt. Bei den Deutschen aber nicht", diktierte er in die Notizblöcke der Reporter.

Cassano schwebt derzeit auf einer rosa Wolke. Im Juli, als die italienische Nationalmannschaft in Südafrika Rumpelfußball anbot, vergnügte er sich auf Hochzeitsreise in Polynesien. Kaum war er wieder zurück von den weißen Stränden, berief der neue Auswahltrainer Cesare Prandelli ihn ins Aufgebot für das Freundschaftsspiel gegen die Elfenbeinküste und präsentierte ihn sogar als neuen Spielmacher: "Er ist der Referenzpunkt unseres Spiels. Wir werden ihn mit jedem Ball suchen, denn er lässt sich immer etwas Überraschendes einfallen."

Cassano ist immer noch beglückt von diesem Vertrauensbeweis. "Er hat mich mit Stolz erfüllt. Nicht alle haben den Mut, so nachdrücklich auf einen wie mich zu setzen", sagte er.

Freilich bricht in dieser Saison auch eine neue Zeit für ihn an. Auf ihm lastet wieder Erwartungsdruck - in der Nationalelf wie auch in Genua. Achtzehn Jahre sind vergangen, seit Sampdoria mit dem Traumduo Vialli-Mancini bis ins Finale des Landesmeisterpokals vordrang. Solche Höhenflüge sind heute schwer vorstellbar.

Cassano, der sich festgelegt hat, Sampdoria so sehr die Treue zu halten, wie der von ihm bestohlene Riva dies einst mit dem Underdog Cagliari tat, hat sich damit arrangiert, nicht die ganz großen Klubtrophäen zu ergattern.

"Ich kann nicht mit den Allerbesten konkurrieren, weil ich in einer normalen Mannschaft spiele und nicht bei Barcelona oder Real. Aber ich bin zufrieden mit dieser Wahl. Denn sie bringt mir Glück und Zufriedenheit", sagt er - und klingt dabei so, als würde er ganz auf einer Wellenlänge mit dem knurrigen Familienmenschen Thomas Schaaf liegen. Cassano ist eben immer wieder für eine Überraschung gut.

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