Dieter Hoeneß verlässt Hertha BSC: Das Ende der Ich-Maschine

Dieter Hoeneß verliert den Machtkampf gegen Trainer Lucien Favre beim Berliner Fußball-Bundesligisten. Droht der neuen Hertha nun das alte Chaos?

Am Ende lachte nur noch der Schweizer: Lucien Favre (re.) setzte sich im Machtkampf gegen Dieter Hoeneß durch. Bild: dpa

Dieter Hoeneß verlasse Hertha BSC auf eigenen Wunsch ein Jahr früher als geplant, hieß es am Sonntag in einer Pressemitteilung des Vereins. Es war der Versuch der Ehrenrettung. Am Ende eines unschönen Ablösungsprozesses sollte Hoeneß noch einmal die Rolle spielen dürfen, die er knapp 13 Jahre lang ausgefüllt hat: Er stellte als letztes Mal den Chef dar, der wie stets im Sinne des Vereins entschied.

Eine Abfindung im siebenstelligen Bereich und eine Wohlverhaltensklausel, die in den Auflösungsvertrag mit aufgenommen wurde, sollen zudem das Bild des harmonischen Abgangs konservieren. Sowohl Hoeneß als auch die Führung von Hertha BSC verpflichten sich, künftig nicht schlecht übereinander zu reden. Trotzdem: Die Vorgänge in Berlin erinnerten zuletzt an die Ära vor Hoeneß, als der Club in der Disziplin des Intrigenspinnens deutschlandweit ganz vorne lag. Es war ein Verdienst von Dieter Hoeneß, dass er den provinziellen Possenspielen ein Ende setzte und professionelle Strukturen aufbaute, die dem Verein den Aufstieg und die Etablierung in der Bundesliga ermöglichten. Der ausgeprägte Machtsinn des 56-Jährigen hat diesen Prozess zum einen begünstigt, zum anderen verschaffte ihm dieser auch einige interne Gegner. Diese hatten sehr wohl auch Argumente gegen Hoeneß in der Hand. Kaum ein Verein wurde durch die Kirch-Krise und die ausbleibenden Fernsehgelder so in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt wie Hertha BSC. Zeitweise wuchs der Schuldenstand gar bis zum Rekordwert von 55 Millionen Euro an.

Wirkliches Gewicht bekamen die kritischen Stimmen erst, als mit dem eigenwilligen Trainer Lucien Favre ein neues Machtzentrum im Verein entstand. Der Schweizer stand für das Gute von Herrschaftskonzentration, der Geschäftsführer aber für das Schlechte. Mit Favre absolvierte Hertha einer seiner erfolgreichsten Spielzeiten und entfachte in der Stadt eine immense Euphorie. Dass der eitle Hoeneß den Erfolg auch für sich reklamieren wollte, war zwar faktisch und menschlich verständlich, geriet ihm aber zum Verhängnis. Sogar Präsident Werner Gegenbauer, der bis dahin zu seinen Vertrauten zählte, warf ihm vor, Dieter-Hoeneß-Festspiele zu veranstalten. Und in der Tat hatte der fürsorgliche Pressesprecher Hans-Georg Felder bei Autorisierungen stets damit zu tun, die vielen "Ich"-Formulierungen des Managers durch ein "Wir" zu ersetzen.

Verärgerte Präsidiumsmitglieder verbreiteten eifrig anonym Informationen, die den Eindruck stärkten, dass Hoeneß und Favre nicht zusammenarbeiten können. Obwohl nach Aussagen beider viele Unwahrheiten gestreut wurden: Der Bestimmer der letzten Hertha-Dekade hatte Strukturen geschaffen, die dem Trainer wenig Gestaltungsspielraum lassen. Erst kürzlich versicherte Hertha-Justiziar Jochen Sauer, dass Geschäftsführer Hoeneß auch ohne Zustimmung von Favre Spieler verpflichten kann. Für einen Trainer, der 85 Prozent des sportlichen Erfolgs an Transfers festmacht, ein Unding.

In diesem Zusammenhang zählten die Hoeneß-Kritiker jüngst wieder seine zahlreichen Fehleinkäufe auf. Zuletzt verpflichtete der Manager für 5 Millionen die Bundesliga-untauglichen Brasilianer André Lima und Kaká. Hierbei darf man aber auch nicht vergessen, dass etwa Favres Wunschspieler Steve von Bergen und Fabian Lustenberger bislang nur bedingt überzeugen konnten.

Letztlich hat sich Hoeneß, der jahrelang geschickt Mehrheiten hinter sich zu formieren wusste, mit fast allen im Verein überworfen. Aus dem Heer seiner Kritiker ragten tragischerweise zwei Männer heraus, die Hoeneß mit großem Eifer zu Hertha gelotst hatte: Gegenbauer und Favre.

Doch wie wird die Macht nun neu verteilt? Folgt dem Monarchen Hoeneß der Monarch Favre? Kopiert man nun das Wolfsburger Meister-Modell? Derzeit scheint man bei Hertha alles tun zu wollen, um Favre möglichst lange an Berlin zu binden. Doch was passiert, wenn dem klammen Verein die nächste Saison missrät und Favre gehen muss? Hoeneß giftete vor seiner Entlassung: "Wenn ein Trainer sich den Vorgesetzten aussuchen darf, dann gute Nacht, Hertha BSC."

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