Hertha überrascht in Wolfsburg: Der Reiz des bezahlten Fußballs

Abstiegskandidat Hertha BSC gewinnt gegen den deutschen Meister spektakulär mit 5:1. Da bleiben auch die Berliner Fans friedlich. Theoretisch ist der Klassenerhalt weiter drin.

Ungewohntes Gefühl: Die Herthaner dürfen jubeln. Bild: dpa

WOLFSBURG taz | Es dauerte nur 26 Minuten, bis sich wieder alle lieb hatten. "Die Hertha steigt niemals ab", sangen die Fans eines Fußballvereins, der sich am Sonntagabend voller Elan gegen den Abstieg aus der Bundesliga gewehrt hat. Der 5:1 (3:1)-Erfolg von Hertha BSC Berlin beim VfL Wolfsburg wurde mit viel Applaus und Gesang bedacht.

Eine Woche nach den unschönen Szenen im Olympiastadion, als gewaltbereite Fans ihren Frust an den Spielern auslassen wollten, gelang eine Aussöhnung der besonderen Art. Die Hertha-Fans blieben ganz friedlich. Und die Hertha-Profis spielten so gekonnt und frech auf, als seien sie gar nicht der Tabellenletzte.

Dass die schlechteste Mannschaft der Liga mal eben so beim amtierenden deutschen Meister gewinnt, macht immer noch den Reiz des bezahlten Fußballs aus. Ehe die Wolfsburger wussten, wie ihnen im eigenen Stadion geschah, hatten sie gegen den Außenseiter schon hoffnungslos zurückgelegen. Theofanis Gekas (6. Minute), Ramos (8.) und wieder Gekas (26.) profitieren bei ihren frühen Toren für die Hertha von eklatanten Fehlern des Gegners.

Die Wolfsburger Innenverteidiger Alexander Madlung und Jan Simunek waren sich entweder nicht einig oder überfordert. Mit der Müdigkeit allein konnten ihre Fehler nach dem Kräfte raubenden Spiel in der Europa League am Donnerstag nicht erklärt werden. Das Duo des VfL war gegen die klugen Berliner Passgeber Raffael und Cicero auch gedanklich viel zu langsam.

Wie kurios der Fußballabend im Niedersächsischen verlaufen war, ließ sich am leichtesten im Gesicht von Dieter Hoeneß ablesen. Der 57-Jährige, dessen Dienste im vergangenen Jahr nach 13 Jahren bei Hertha BSC nicht mehr gewürdigt werden konnten oder wollten, ist seit Anfang des Jahres Vorsitzender der Geschäftsführung beim VfL Wolfsburg. "13 Jahre Hertha, das kann man nicht einfach so wegwischen. Aber ich werde versuchen, meine Gefühle herauszuhalten", hatte Hoeneß vor dem sportlichen Wiedersehen mit seinem langjährigen Klub erzählt.

Seine Worte waren da noch von einem zufriedenen Lächeln begleitet. Als die Fernsehkameras aber nach jedem Berliner Treffer Hoeneß in Großaufnahme zeigten, sah der Routinier ungemein frustriert aus. Wer wird schon gerne von einem langjährigen Partner vorgeführt, der einem am Ende eines langen, gemeinsamen Weges die kalte Schulter gezeigt hat?

Natürlich gab es, in dieser Hinsicht ist auf Hertha weiter Verlass, auch bange Momente auf dem Weg zu einem ungeahnten Erfolgserlebnis zu überstehen. Denn nach ihrer Führung hatten es die Berliner gemächlicher angehen lassen. Ihre Angriffe wirkten im Gefühl des sicheren Vorsprungs nicht mehr ganz so entschlossen. Dass die Wolfsburger dank ihres Torjägers Grafite, der nur eine Minute nach seiner Einwechslung in der 38. Minute das 1:3 erzielt hatte, kurz noch einmal hoffen durften, war Nachlässigkeiten in der Berliner Abwehr und einem Zögern von Roman Hubnik zuzuschreiben.

An der Nachricht, dass die Berliner doch noch einmal nach ihrer letzten Chance auf den Klassenerhalt greifen, änderte das aber nichts mehr - zumal Gekas (63.) und Ramos (84.) noch auf 1:4 und 1:5 erhöhten. In den letzten sieben Spielen der Saison fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz aufzuholen, ist möglich. Den Gesängen aus dem Hertha-Fanblock war zu entnehmen, dass das Rechnen und Hoffen mit Hertha immer noch Spaß macht.

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