Giro d'Italia: Der Respektlose

Das Telekom-Nachfolgeteam High Road versucht den Sprinter Mark Cavendish zum unbelasteten Aushängeschild aufzubauen. Der 22-jährige ist ein unorthodoxer Fahrer.

Er hat noch Mühe, die richtige Distanz zum Mikrofon zu finden. Unschlüssig dreht er das Gerät in den Händen hin und her. Aber was er sagt, das ist von Selbstbewusstsein und Realismus geprägt. "Ich bin nicht der stärkste Sprinter zurzeit", sagt Mark Cavendish, "aber ich bin der jüngste. Und auf den letzten 300 Metern kann ich von allen am besten beschleunigen."

Der erst 22-Jährige von der Isle of Man hat sich beim Giro d'Italia mit einem Etappensieg in Catanzo Lungomare zum Star des T-Mobile-Nachfolge-Teams High Road entwickelt. Und das auch, weil er ein Produkt der neuen Strukturen im britischen Radsport ist. "Es wird eine Menge Geld in Ausbildung und Infrastruktur gesteckt. Wir entwickeln eigene Räder. Es herrscht eine kompetitive Atmosphäre", erklärt Cavendish. Mit dem Ausbau der Infrastruktur investierte der britische Verband auch in eine Antidoping-Imagekampagne. Der vom Doping-Saulus zum Antidoping-Paulus gewandelte David Millar darf trotz seines Frontman-Einsatzes in der Sauberkeitskampagne nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Sein Verband nominiert ihn nicht.

MarkCavendish scheint von dieser konsequenten Haltung geprägt. "Ich will ehrlichen Sport betreiben. In die Vergangenheit möchte ich nicht gucken. Aber ich möchte mich für das, was ich tue, später nicht schämen müssen", sagt er.

Bereits bei der letzten Tour de France - mit Startort London - hatte der Doppelweltmeister auf der Bahn mit Etappensiegen glänzen sollen. Stürze hatten ihn jedoch ausgebremst. Auch in diesen Giro war er mit einem Sturz gestartet. "Das hat mich aber nicht behindert. Auch andere sind auf die Straße gekracht. Da muss man durch", lautet seine Erkenntnis.

Beim Finale am Strand der kalabresischen Provinzhauptstadt Catanzaro zahlte sich dieses Durchhaltevermögen aus. Der Italiener Daniele Bennati - ein Schüler von Mario Cipollini und mit bisher einem Sieg und einem dritten Platz das Nonplusultra der Sprinter beim Giro - scherte zum scheinbar optimalen Zeitpunkt aus, aber Cavendish zog noch vorbei. "Aber ich bin eben jünger und auf den letzten Metern schneller", kommentiert Cavendish lakonisch.

Seitdem hängt für High Road der Himmel voll rosa Geigen. "Wir haben keinen Mann für die Top Ten der Gesamtwertung hier. Aber den ein oder anderen Etappensieg sowie ein paar Tage im Rosa Trikot wie auch im letzten Jahr wollen wir schon erreichen", umriss Sportdirektor Rolf Aldag noch auf Sizilien die Ambitionen. Das kalifornische Team mit Logistikbasis in Bonn hatte bereits beim Teamzeitfahren zu Beginn der Rundfahrt auf den Tagessieg geschielt. Es war aber knapp von den Newcomern des Slipstream-Rennstalls sowie den Routiniers von CSC geschlagen worden.

Nun freut sich der sportliche Leiter Valerio Piwa, der bis Mailand die Verantwortung in seinen Händen hält, über den Erfolg. "Die Mannschaft hat sehr gut gearbeitet", sagt der Italiener. Erst hatte sie den am Berg schwächelnden Sprinter auf der Abfahrt sechs Kilometer vor dem Ziel wieder an das Peleton herangeführt. Auf dem vorletzten Kilometer hatte ein High-Road-Trio mit dem italienischen Zeitfahrmeister Marco Pinotti an der Spitze für kontinuierlich hohe Fahrt gesorgt. Cavendish hatte sich allerdings hinter dem Milram-Zug sowie den meisten Kontrahenten erst an Position zehn aufgehalten. Von dort hatte ihn das junge deutsche Talent Tony Martin nach vorn bugsiert. Eine ungewöhnliche Strategie. Aber der doppelte Bahnweltmeister ist ein unorthodoxer Fahrer. Trotz seiner Jugend wirft er sich respektlos in die Schlacht auf dem letzten Kilometer. Sprint-Doyan Cipollini hatte ihn deswegen schon kritisiert: "Er ist etwas zu ambitioniert für sein Alter."

Cavendish lässt sich von solcher Kritik nicht bremsen. "Ich gefährde vielleicht manchmal mich selbst, aber nicht andere. Kann sein, dass ich manchem zu schnell und zu erfolgreich bin. Das ist aber nicht mein Problem", stellt er klar. In einem schwer verunsicherten Sport keimt mit jemandem wie Cavendish ein Pflänzchen der Hoffnung.

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