Champions-League-Sieger Barcelona: Die können noch länger spielen

Nach dem 3:1 gegen Manchester United im Endspiel der Champions League fragt sich alle Welt, wie lange die berauschende Dominanz des FC Barcelona wohl noch währen wird

So sehen Sieger aus, und das ganz ohne einen großen Mäzen. Bild: ap

"Das ist die Art, wie ich Fußball spielen will." Trainer Pep Guardiola war einfach nur stolz auf seine Spieler nach dem unglaublichen Sieg seines FC Barcelona gegen Manchester United. "Wir sind noch nie so verdroschen worden." Alex Ferguson, der Trainer des chancenlosen Verlierers, wirkte ratlos nach einer niederschmetternden Niederlage.

1:3 haben die Engländer das Finale der Champions League im Londoner Wembley-Stadion vor 87.000 Zuschauern verloren. Wer nur das Ergebnis sieht, weiß aber noch nichts über die fußballerische Demonstration, die der FC Barcelona an diesem Abend abgeliefert hat.

Vor zwei Jahren hatte Barcelona schon einmal gegen Manchester das Endspiel gewonnen. Die Welt schwärmte nach dem 2:0 von der Fußballkunst der Barça-Schule. Nichts sei das gewesen im Vergleich zu dem, was seine Mannschaft am Samstag abgeliefert hat, meinte Guardiola. Im Augenblick des Triumphes blickte der 41-Jährige, der nun schon zum zweiten Mal als Trainer dem Pokal mit den riesigen Henkeln in die Höhe stemmen durfte, noch einmal zurück ins Jahr 2009: "Damals habe ich nach dem Finale gesagt, wir haben ein gutes Spiel gemacht, aber als ich es mir noch einmal angeschaut habe, war ich nicht begeistert."

Am Samstag war nicht nur er beeindruckt. "In meiner Zeit als Trainer war dies die beste Mannschaft, auf die wir getroffen sind", meinte Ferguson, der seit 25 Jahren bei Manchester die sportliche Verantwortung trägt.

Wie ein hochbegabter Freizeitkicker

Soll das so weitergehen? Werden die noch besser? Geben die irgendwann den Ball gar nicht mehr her? 63 Prozent Ballbesitz waren es diesmal. Lionel Messi, der mit dem 2:1 (54. Minute) sein 12. Tor in dieser Champions-League-Saison erzielt hat, spielte auf wie ein hochbegabter Freizeitkicker, der weiß, dass die Kumpels, gegen die er auf dem Bolzplatz antritt, eh nicht mithalten können. Xavi war wieder einmal der Spieler, der die meisten Anspiele an den Mann brachte (127). Kann der eigentlich einmal ein Spiel bestreiten, ohne einen entscheidenden Pass zu spielen? Das 1:0 durch Pedro Rodriguez (27.) wäre ohne seinen Blick für die Lücke in Gegners Abwehr nie und nimmer gefallen. Und gibt es eigentlich einen Spieler, der im Mittelfeld so selten den Ball verliert wie Andres Iniesta? Der ist 27. Xavi ist 31 und Messi 23.

Die können noch eine Weile spielen. Alex Ferguson denkt schon an die Zeit nach den großen drei in Barcelonas Offensive. "Große Teams entwickeln sich immer in Zyklen", philosophierte er. Im Moment sei Barcelona das Maß aller Dinge in Europa. "Aber wie lange das so bleiben wird?", überlegte er laut. "Ob sie ihr Team ersetzen können?" Er weiß es nicht. Er kann nur hoffen, dass es ihnen nicht gelingt.

Guardiola macht weiter

Eines steht seit Samstagabend jedenfalls fest. Pep Guardiola wird als Trainer weitermachen, "wenn mein Präsident mich nicht entlässt". Er wird weiterarbeiten an jener Fußballphilosophie, die den Ballbesitz über alles stellt. Er wird das System weiter perfektionieren wollen, auch wenn es nach dem Finale von Wembley so scheinen mag, als könne es keine Steigerung mehr geben. Aber genau das haben nicht wenige auch nach dem Sieg von Rom 2009 gesagt. Die werden sich diesmal die Augen gerieben haben.

Der Drang zum Tor, der unbedingte Wille zum Schuss, er war in einem großen Spiel noch nie so ausgeprägt beim FC Barcelona wie in diesem Finale. 19 Mal schoss Barcelona aufs Tor. Last-Minute-Tacklings von Manchesters Innenverteidigern Rio Ferdinand und Nemanja Vidic verhinderten weitere Torschüsse in allerhöchster Not. Der Ballsicherheit, die schon lange gespenstisch anmutete, hat Pep Guardiola die Lust auf den schnellen Abschluss hinzugefügt. Der schussfreudige Stürmer David Villa, Schütze der 3:1 (69.), den Barcelona vor der Saison verpflichtet hat, mag da als Vorbild für die anderen gedient haben.

Über 40 Millionen Euro hat der FC Barcelona für den Angreifer vor dieser Saison an den FC Valencia überwiesen. Solche irrsinnigen Summen kann der Klub, der auf der soliden Basis von über 100.000 Mitgliedern aufgebaut ist, aufbringen, ohne bei einem Mäzen anklopfen zu müssen oder Beteiligungen an Investoren zu verticken.

Neben der sportlichen Philosophie, jener in Barcelona unumstößlichen Ballbesitzideologie, die in der Nachwuchsabteilung den talentierten Spielern, die schon im Jugendalter aus der ganzen Welt geholt werden, eingeimpft wird, ist die finanzielle Solidität die zweite Säule, auf der das Modell Barcelona aufgebaut ist. Es könnte lange das dominierende Modell in Europa bleiben.

Nur Rooney war ein bisschen besser

"Es gibt für alles einen Schlüssel", hatte Ferguson vor dem Endspiel gesagt. Nach dem Finale weiß er, dass er ihn nicht gefunden hat. Seine Mannschaft trat an diesem Abend auf wie ein amorphes Gebilde überaus unterschiedlicher Individualisten mit einem Wayne Rooney (Torschütze zum 1:1, 34.), der ein bisschen besser war als seine Mitspieler. Sie wollten mitspielen und konnten es nicht. Eine Idee, eine Philosophie gar, war nicht zu erkennen im Spiel von Manchester. "Wir werden uns über den Sommer etwas einfallen lassen", hat Ferguson angekündigt. Und: "Wir leiden ja nicht an Ideenlosigkeit in diesem Klub."

Auch anderswo wird man sich überlegen, wie Barcelona zu schlagen ist. Liegt der Schlüssel vielleicht doch einzig in José Mourinhos Brachialfußball? Oder gibt es wirklich keinen? Noch nie ist es einer Mannschaft gelungen, den Titel in der Champions League zu verteidigen. Wie wird die Welt erst vom FC Barcelona schwärmen, wenn auch dies noch gelungen ist.

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