Antidoping-Konferenz in Madrid: Die Mission der Saubermänner

Die Funktionäre der Welt-Anti-Doping-Agentur wollen künftig sämtliche Bereiche des Leistungssports überwachen, doch werden sie dabei mehr denn je auf die Hilfe von Regierungen angewiesen sein.

Polizei und Justiz, bitte übernehmen! Bild: dpa

Die Kontrolle von Athleten und die Bestrafung überführter Sportbetrüger ist in Madrid neu geregelt worden. Auf der Welt-Antidoping-Konferenz wurde beschlossen, dass Sportler bei besonders schweren Vergehen bis zu vier Jahre gesperrt werden können. Bislang galt ein Zwei-Jahres-Bann. Um die überführten Sportler zur Zusammenarbeit mit den Aufklärern zu bewegen, ist die Reduzierung der Strafe um bis zu 75 Prozent möglich. Auch wer verbotene Substanzen nachweislich nicht mit Vorsatz eingenommen hat, kann mit geringeren Strafen rechnen. Ab 1. Januar 2009 soll der geänderte Kodex gelten. Dann werden Sportler, deren A-Probe einen positiven Dopingbefund aufweist, sofort nach Bekanntwerden des Testergebnisses suspendiert.

AUS MADRID ANDREAS RÜTTENAUER

Mira Dasic ist stolz auf die Sportler ihres jungen Landes. "Wir sind eine Ballsportnation", sagt sie. Die Wasserballer Montenegros haben sich vor kurzem für die Olympischen Spiele qualifiziert. Mira Dasic sitzt beim Mittagessen im Palacio Municipal de Congresos zu Madrid und und strahlt durch die ein wenig zu rosa geschminkten Lippen. Die Sportärztin ist als Leiterin der medizinischen Abteilung des Nationalen Olympischen Komitees von Montenegro zur dritten Weltkonferenz gegen das Doping im Sport gereist. Sie wollte sich ein wenig umhören, wie es bestellt ist um den Kampf gegen den Sportbetrug. "Wir sind ein Entwicklungsland in dieser Hinsicht", sagt sie. Doping sei zwar ein Thema auch in Montenegro, Dasic ist sich aber sicher, dass die meisten jungen Sportler in ihrem Land gar nicht genau wissen, was Doping eigentlich ist: "Es gibt zwar eine Ahnung davon, was verboten ist, aber die Regeln kennt niemand so ganz genau."

Ein Analyselabor gibt es in Montenegro nicht. Es gibt nicht einmal Kontrolleure. Zwei "Dopingkontrolloffiziere", wie Dasic sagt, sollen bis März ausgebildet sein. Blutproben dürfen die allerdings mangels medizinischer Qualifikation nicht nehmen. Sie sollen nur Urinproben sammeln. Wo die dann analysiert werden sollen, weiß Dasic noch nicht. In Athen oder der Türkei gibt es von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditierte Labors, die das machen könnten. Dick Pound, der scheidende Wada-Präsident, hat in Madrid gesagt: "Wir werden den Kampf gegen Doping weiter intensivieren." In Montenegro ist er noch nicht angekommen.

Ein paar Tische entfernt sitzt Rasmus Damsgaard, der dänische Pharmakologe und Dopingexperte, der für den CSC-Rennstall des geständigen Ex-Dopers Bjarne Riis die Blutwerte der Fahrer beobachtet. Er soll Warnungen aussprechen, wenn ihm ein Radler verdächtig erscheint. Das Saubermannprogramm, das er für die CSC-Radler ausgearbeitet hat, gilt als vorbildlich. Damsgaard ist ein gefragter Mann in diesen Tagen. Bereitwillig beantwortet er alle Fragen. Die meisten wollen von ihm wissen, wie er den Fall Michael Rasmussen beurteilt. Der dänische Profi ist eine jener Figuren, die den Radsport um den letzten Rest Glaubwürdigkeit gebracht haben. Für Trainingskontrollen war er so gut wie nie greifbar, weil er stets verheimlicht hat, wo er sich gerade aufhielt. Als seine Lügen allzu offensichtlich wurden, warf ihn sein Rennstall raus. Rasmussen war zu diesen Zeitpunkt souveräner Spitzenreiter der Tour de France. Die Tour gewann dann ein anderer der üblichen Verdächtigen, der Spanier Alberto Contador, dessen Name auf einer Kundenliste des spanischen Blutdopingarztes Eufemiano Fuentes gestanden haben soll.

Dreist versichert Rasmussen seitdem, er sei immer sauber gewesen. In dieser Woche veröffentlichte er die Blutwerte aus diversen Dopingkontrollen. Sie liegen alle weit unter den vom internationalen Radsportverband festgelegten Grenzwerten. Und doch geben sie Rätsel auf. Denn sein Hämatokritwert, der Anteil der roten Blutkörperchen im Blut, stieg im Verlauf der Tour an. Rasmus Damsgaard spricht von einem "physiologischen Wunder" und kann sich nicht erklären, wie sie zustande gekommen sein könnten. Dann erzählt er, dass er in Madrid Johan Bruyneel getroffen habe, den Mann, der als sportlicher Leiter sieben Mal Lance Armstrong und nun auch Alberto Contador zum Toursieg geführt hat. Der Holländer leitet demnächst das kasachische Team Astana, das vor allem wegen des Fremdblutdopings seiner Fahrer Alexander Winokurow und Andrej Kascheschkin zu trauriger Berühmtheit gelangt ist. Demnächst wird Damsgaard auch für Astana ein Saubermannprogramm organisieren. Die verkommenste Truppe soll zum Vorzeige-Rennstall werden.

Für Richard Pound ist das auch ein Erfolg der Wada und ihres konsequenten Einsatzes gegen Doping. Es sei der Druck auch aus seiner Behörde gewesen, der den Radsport in seiner Existenz gefährdet habe. Er sieht schon die nächsten Bastionen fallen - die Profiligen in den USA. "Sie werden unserem Druck nicht standhalten", so Pound in Madrid. Doch es waren nicht die Erfolge des Kontroll- und Überwachungssystem einer Anti-Doping-Agentur, die in den USA das Lügengebilde einer der erfolgreichsten Leichtathletinnen aller Zeiten zum Einsturz brachte. Die Leichtathletin Marion Jones plauderte, weil ihr Gefängnis drohte. Dopingkontrollen indes konnten ihr nichts anhaben. 160-mal wurde sie getestet - immer waren die Ergebnisse negativ. Wiederholt nannte Pound in Madrid diese für ihn immer noch unfassbare Zahl negativer Tests, die ihm wie Armutszeugnisse für seine Agentur vorkommen müssen. "Das kann nicht sein", sagte er und kündigte an, die Laborergebnisse überprüfen lassen zu wollen. Ohne behördliche Ermittlungen wären zum Fall Jones nicht mehr als Gerüchte im Umlauf. Hier sieht John Fahey den Hauptansatzpunkt für seine Wada-Präsidentschaft. Der Australier, einst Finanzminister seines Landes, folgt Pound zum Jahresbeginn als Chef der Wada. Mit seiner Erfahrung will er dafür sorgen, dass die Staaten ihren Kampf gegen Doping intensivieren: "Der Sport hat viel geleistet, jetzt sind die Regierungen dran."

Fahey betonte nach Ende der Konferenz auch, dass es ihm vor allem darum geht, Sportschwellenländer fürs Doping zu sensibilisieren. Da war Mira Dasic schon wieder auf dem Weg nach Hause. Vielleicht schafft sie es ja, dafür zu sorgen, dass bis zu den Sommerspielen 2008 in Montenegro eine erste Dopingprobe genommen wird.

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