Tabellenführer Hoffenheim: Die Schönspieler lernen kämpfen

Nach dem 3:1 in Köln ist der neue Tabellenführer Hoffenheim ausdrücklich stolz, mal mit rustikalen Mitteln gewonnen zu haben.

Selbst das Jubeln haben sie schon gelernt: Die neuen Tabellenführer. Bild: dpa

KÖLN taz Längst lag die winterliche Nacht über Köln, die 50.000 Zuschauer hatten sich in ihre beheizten Wohnungen verkrochen, da stand immer noch ein Häuflein Journalisten in der leuchtenden Fußballarena und suchte nach Antworten. Was war bloß in Christoph Daum gefahren? Glaubte der Kölner Trainer wirklich, was er nach dem 1:3 gegen die TSG Hoffenheim verkündet hatte? Gibt es eine besonders giftige Rivalität zu seinem Kollegen Ralf Rangnick? Oder ist Daums Blick getrübt vom Gefühl des Neides auf den Mitaufsteiger, der die Herzen der Fußballrepublik erobert hat?

Denn Daum hatte nach einem sehenswerten Fußballspiel überraschend eine denkwürdige Tirade der Unfreundlichkeiten ausgespuckt. "Dieses Saubermann-Image der Hoffenheimer hat heute einen dunklen Fleck bekommen", fauchte er und bezog sich auf eine recht üble Grätsche seines Spielers Kevin McKennas gegen Sejad Salihovic direkt vor der Hoffenheimer Bank (52.). Ersatzspieler, Trainer und Betreuer der Gäste waren empört aufgesprungen, Daum unterstellte, mit diesem Verhalten hätten sie den Schiedsrichter zum Platzverweis gedrängt.

Deniz Aytekin zückte tatsächlich die rote Karte - es war eine harte, aber korrekte Auslegung. "Die tun immer so, als seien sie der nette Dorfverein, aber das war das Unfairste, was ich hier im Stadion von einer Mannschaft gesehen habe", polterte Daum weiter. Rangnick konterte den Angriff mit der Gelassenheit des Siegers. "Es ist völlig normal, dass man aufspringt", sagte er und versicherte: "Eine Karte hat aber keiner von uns gefordert." Weil Daum nach Attacken gegen seine Spieler selbst gerne wild gestikuliert und die Kölner Spieler nach einem Foul des verwarnten Luis Gustavo erfolgreich Gelb-Rot forderten (56.), seien die Vorwürfe zumindest "merkwürdig", merkte Rangnick an.

Vielleicht hat die Bundesliga wieder einen dieser Momente des Realitätsverlustes erlebt, die Daum zwar selten, aber doch regelmäßig unterlaufen. Immerhin der Auslöser des Ärgers war diesmal klar: Hoffenheim hatte den 1. FC Köln mit den Mitteln des Trainers Christoph Daum geschlagen. Das schmerzte.

Rangnick hatte in der Vorbesprechung nämlich ein Video mit verlorenen Zweikämpfen, Fouls und Nickligkeiten aus den Partien der Vorsaison gezeigt. Die Kölner waren damals der einzige Klub, der Hoffenheim in beiden Spielen schlagen konnte, der Film habe das Team "richtig heiß gemacht, danach wollten wir eigentlich sofort auf den Platz", berichtete Tobais Weis. Voller Freude am Kampf nahmen sie Rache. "Damals haben wir uns als Opfer präsentiert, heute waren wir Männer", sagte Rangnick.

Und genau das machte sie besonders stolz. Denn diesmal waren die Hoffenheimer Protagonist eines intensiven Spiels voller sehenswerter Zweikämpfe und mit viel Tempo, jedoch ohne den spielerischen Zauber, den sie zuletzt aufgeführt hatten. "Wir haben heute bewiesen, dass wir keine Schönspielermannschaft sind", sagte Marvin Compper, das fußballerische Repertoire des Tabellenführers scheint nunmehr fast komplett zu sein.

Zwar verwiesen die Kölner hernach auf 60 Prozent Ballbesitz, sie schlugen mehr Flanken, gewannen sogar mehr Zweikämpfe, doch in den entscheidenden Momenten waren die Gäste einfach wacher. Und haben Vedad Ibisevic, den Mann, dem alles gelingt. Demba Bas 0:1 bereitete er vor, die beiden anderen Treffer erzielte er selbst. Auch unter der Woche in der Nationalmannschaft hatte der Bosnier zweimal getroffen.

Nach diesem Spiel lässt sich nun die These formulieren, dass diese Hoffenheimer sich nur noch selbst bremsen können. Irgendwann wird es auch ihnen nicht mehr möglich sein, immer nur die nächste Partie zu sehen, und dann wird sich zeigen, dass sie nicht nur richtig gut spielen und auch großartig kämpfen können, sondern echte Siegertypen sind. Derzeit gelingt es ihnen noch, alle Frage nach dem Ende des Wahnsinns zu umkurven. "Wir haben jetzt ein schwereres Spiel gegen Bielefeld", blockte Rangnick ab. Die TSG Hoffenheim befindet sich im Tunnel des ewigen Gelingens, von dem keiner weiß, wo er enden wird.

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