Bessere Dopingkontrollen: Die Ursache allen Übels

Die Nationale Anti-Doping-Agentur will endlich ein effektives System der Überwachung von Sportlern aufbauen. Die müssen immer mehr Daten von sich preisgeben.

Wird es gelingen die Fiesen zu finden? Bild: dpa

Die Nationale Anti-Doping-Agentur wurde 2002 als unabhängige Stiftung gegründet. Sie ist für die Durchführung von Trainingskontrollen, das Ausstellen von Ausnahmegenehmigungen zum Gebrauch verbotener Medikamente und für Präventionsmaßnahmen zuständig. Im nächsten Jahr verfügt die Nada über einen Etat von 3,9 Millionen Euro, das sind knapp 60 Prozent mehr als 2007. Die Zahl der Tests soll von zuletzt etwa 4.500 pro Jahr auf beinahe 10.000 steigen. Den Großteil des Geldes stellt das Bundesinnenministerium zur Verfügung, gut eine halbe Million Euro kommen vom Deutschen Olympischen Sportbund und aus der Wirtschaft.

Am Ende wird er dann doch sauer. Christoph Niessen, der neue Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), hat einfach keine Lust, sich mit dem Jahr 2006 zu befassen. "Das ist doch lange abgefrühstückt", sagt er. Die Nada hat zu einem Journalisten-Workshop nach Bonn geladen, um zu zeigen, was sich alles getan hat in den letzten Monaten im Kampf gegen die Manipulation im Sport, vor allem aber will sie das Image des zahnlosen Tigers abstreifen. Nachdem die ARD über angeblich 400 unangekündigte Trainingskontrollen berichtet hatte, bei denen Athleten nicht angetroffen worden waren, ohne dass dies zu Sanktionen geführt hatte, stand die Nada in der Kritik.

Es war der Komparativ, der die Vorträge der Nada-Referenten am Dienstag in Bonn prägte. Die Kontrollen sollen intelligenter werden, das Kontrollnetz soll dichter werden, es soll einfach alles besser werden im Kampf gegen die Betrüger im Sport. "Weg von der Loskontrolle - hin zur Zielkontrolle", lautet das Motto von Nada-Geschäftsführer Niessen für das Jahr 2008. Die Loskontrolle, sie war die Ursache allen Übels.

Niessen selbst, der sich als Nachfolger seines wegen der Kontrollaffäre entsorgten Vorgängers Roland Augustin als Neuerer zu profilieren versucht, brachte es auf den Punkt: "Das Meldewesen, in dem 9.000 Athleten erfasst wurden, hat das System über Jahre lahmgelegt." Eine öffentliche Verwarnung wegen Verstoßes gegen die Meldepflichtbestimmungen im Jahr 2006 wurde nur in gut 15 Prozent der 201 Fälle ausgesprochen, in denen ein Athlet nach Nada-Angaben nicht angetroffen wurde. Das kaputte Meldewesen, das so wenige Folgen für säumige Athleten zeitigte, soll nun der Vergangenheit angehören. Bis zum Jahresbeginn 2008 sollen die Athleten "Adams", die Datenbank der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), zur Meldung ihres jeweiligen Aufenthaltsortes nutzen. Für jedes Quartal müssen sie dann eine Vorabmeldung mit ihren Terminen machen, die sie bei Änderungen zu aktualisieren haben. Auf Adams haben neben der Nada auch die Wada und die jeweiligen Sportverbände Zugriff. Diese tragen geplante Kontrollvorhaben in das System. So können die Dopingjäger sehen, zu welchem Zeitpunkt die Kontrollen der verschiedenen Organisationen geplant sind. Die Kontrollen können nun besser über das Jahr verteilt werden. Die Kontrolldichte soll auf diese Weise erhöht werden.

Da über die Datenbank der Saisonverlauf der Sportler abzulesen ist, können die Dopingfahnder zudem zielgerichteter arbeiten, sie können dann kontrollieren, wenn es nach dem Trainingsplan des Sportlers am sinnvollsten erscheint. Das soll die Tests nach Nada-Diktion "intelligenter" machen. Neu ist das nicht. Testosteron-Doper Patrik Sinkewitz, der während der Tour-Vorbereitung in diesem Jahr von Nada-Kontrolleuren aufgesucht worden war, ist einer derart gezielten Kontrolle zum Opfer gefallen. Was seinerzeit noch ein Einzelfall war, soll mehr und mehr zur Regel werden.

Indizien für den richtigen Zeitpunkt einer Kontrolle sollen auch Blutprofile geben, die schon jetzt von einigen Verbänden dokumentiert werden. Auch die Nada will Daten über Hämatokrit- und Hämoglobin-Anteile im Blut sammeln. Die Athleten müssen sich darauf einstellen, mehr Daten von sich preisgeben zu müssen. Steigen sie als Kaderathlet in der Sportbetrieb ein, unterwerfen sie sich einem Sportsystem, das genau dies von ihnen verlangt. Ruhm, Geld und Ehre darf im sportlichen Wettkampf nur der einfahren, der auf einen Teil seiner Freiheitsrechte verzichtet.

Ausgerechnet einer jener fiesen Betrüger aus der Radsportszene, der kasachische Profi Andrej Kascheschkin, der wie sein Landsmann Alexander Winokurow in diesem Jahr als Fremdblutdoper überführt wurde, schert nun aus dem Konsens der Sportgemeinde aus. Am 6. November wird vor einem Gericht im belgischen Lüttich eine Klage von ihm verhandelt. Kascheschkin beruft sich dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die die Achtung des Privat- und Familienlebens vorschreibt. Er war im Sommer während seines Familienurlaubs von Kontrolleuren aufgesucht worden. Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre sei unverhätnismäßig, so argumentiert sein Anwalt Luc Misson, der einst den Fußballer Marc Bosman vertrat und das Transfersystem im Profiwesen zum Einsturz brachte. Sollte sich Kascheschkin mit seiner Klage durchsetzen, die intelligente Trainingskontrolle dürfte es dann nicht mehr geben. Anja Berninger, Justiziarin der Nada, weiß, auf welch dünnem Eis sich der Sport bewegt. "Ja, das kann zum Problem werden", sagt sie.

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