Nürnberg in der Relegation: Gerstensaft im Gärtla

Der 1. FC Nürnberg geht mit dem Selbstbewusstsein eines Erstligisten in die entscheidenden Spiele gegen den FC Augsburg. Die Fans trauen ihrem Club alles zu, den Abstieg inklusive.

Der Nürnberger Andreas Ottl (Mitte) jubelt mit seinen Kollegen über seinen Treffer zum 1:0 gegen den 1. FC Köln. Bild: dpa

Wer auf die Idee kommt, einen solch überdimensionierten Biergarten "Gärtla" - außerhalb Frankens mutmaßlich: "Gärtchen" - zu nennen, würde wohl auch von Mexiko Stadt als einem "Städtchen" sprechen. Das Areal neben dem Nürnberger Stadion platzt an Spieltagen regelmäßig aus allen Nähten, bis zu 1.000 Durstige erfahren hier Trost. Das Bier wird deshalb ehrlicherweise gleich in Literkrügen ausgeschenkt. Am Samstagabend dröhnte "Hells bells" aufs Volk herab - AC/DCs Höllenglocken waren der ideale Soundtrack zur Gefühlslage der Fans, die nach dem 1:0-Sieg gegen den 1. FC Köln noch durstiger als gewöhnlich waren. Schließlich war der Sieg ein Muster ohne Wert.

Bereits am Donnerstag werden hier wieder alle zusammenkommen. Dann trifft der "Club" zum ersten von zwei Relegationsspielen auf den FC Augsburg. Die Stimmungslage brachte ein Fan aus Erlangen auf den Punkt: "Normalerweise muss man das gewinnen, aber der Club ist eben ein Depp." Kaum einen Spruch - er stammt aus den 60ern - hat man in den vergangenen Tagen öfter in Nürnberg gehört: Der FCN ist bereits sieben Mal aus der ersten Liga abgestiegen. Unter diesen Vorzeichen gedeiht einfach kein Zweckoptimismus.

Zumindest sei der Club gut vorbereitet, versichert Dieter Hecking: "Wir haben den FCA, genau wie St. Pauli, fünf, sechs Mal beobachten lassen", berichtete Nürnbergs Coach, der sich mit seinem Team im Großen und Ganzen zufrieden zeigte ("Wir haben mit 19 Punkten eine sehr gute Rückrunde gespielt"), sich allerdings gewünscht hätte, dass es etwas früher aus seiner Frühlings-Lethargie erwacht wäre. "Es ist ärgerlich, dass wir vorher viermal verloren haben, sonst hätten wir noch alles selbst in der Hand gehabt. So aber hat bei uns nach 25 Minuten die Zielstrebigkeit nachgelassen, da hatte sich natürlich rumgesprochen, dass Hannover schon 2:0 führt." In der Tat legte sich der Elan, der doch deutlich dezenter ausfiel, als die Club-Verantwortlichen glauben machen wollten, Mitte der ersten Hälfte fast völlig. Und das, obwohl der 1. FC Köln so genügsam auftrat, wie er das schon so oft in dieser Saison getan hat.

Mit einem Punkt wäre man offensichtlich mal wieder vollauf zufrieden gewesen. Dass es letztlich punktlos nach Hause ging, lag deshalb nicht nur an Andreas Ottls Freistoß-Tor (88.), sondern daran, dass "wir nach vorne zu wenig getan haben", wie Kölns Coach Zvonimir Soldo richtig analysierte. "Aber trotzdem muss man einen Punkt mitnehmen, wenn es noch kurz vor Schluss 0:0 steht."

Während auch im ausverkauften Stadion nach und nach die Kunde von den mittlerweile drei Hannoveraner Treffern in Bochum die Runde machte, gab es vor Ort gerade einmal je eine Torgelegenheit auf beiden Seiten zu beklatschen. Als die meisten der 48.000 Fans in Gedanken schon im "Gärtla" oder beim kommenden Donnerstag waren, fiel dann doch noch das Tor des Tages. "Es ist ein psychologischer Vorteil für uns, dass wir am Schluss noch einmal gewonnen haben", fand der Torschütze. Abwehrmann Andreas Wolf wagte hingegen schon einmal eine Prognose für die beiden Relegationsspiele: "Wenn wir zweimal so konzentriert spielen wie heute, dürften wir keine Probleme bekommen."

Am Ende der mindestens 180 Minuten sollte der Club, der dieser Tage seinen 110. Geburtstag feierte, tunlichst als Erstligist aus dem schwäbisch-fränkischen Derby hervorgegangen sein. Die grundsätzliche Diskussion über die Architektur beim fränkischen Traditionsverein dürfte ansonsten noch lauter werden, als das schon in der vergangenen Woche der Fall war. In vielen Zeitungen und in allen Fanforen wurde von der Arbeitsauffassung des kickenden Personals bis zum Fußball-Sachverstand im Präsidium so ziemlich alles in Frage gestellt, was man in Frage stellen kann.

Beim Club hofft man nun darauf, in der Relegation im zweiten Jahr hintereinander bestehen zu können. Präsident Franz Schäfer erinnerte schon unmittelbar nach dem Schlusspfiff daran, wie bravourös der damalige Zweitliga-Dritte im vergangenen Jahr Energie Cottbus geschlagen hat: "Wir haben Erfahrung mit der Relegation, das ist ein weiterer Vorteil."

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