Champions League-Aus des VfB: Krude Stuttgarter Wochen

Der VfB Stuttgart scheitert in der Champions League völlig. In Lyon erweckt er nur noch den Schein einer Meistermannschaft. Ausdruck des allgemeinen Team-Tiefs.

LYON taz Mit der unerträglichen Langsamkeit der Geschlagenen trotteten sie am Ende des Mittwochabends in Lyon hinüber zu ihren Fans. Sie wollten Danke für die Unterstützung sagen. Es sah wie ein Abschiedsgruß aus. Mitten in der Vorrunde, jetzt wo es anfängt, spannend zu werden, ist für den deutschen Meister die Champions League schon vorbei. Die 2:4-Niederlage gegen Olympique Lyon ließ Sportdirektor Horst Heldt nur bitter urteilen: "Man kann sagen, dass unser Niveau für den Wettbewerb nicht gereicht hat." Bei null Punkten nach vier Spielen verkommen die als Festtage eingeplanten verbleibenden Gruppenspiele gegen Glasgow Rangers und in Barcelona zur bloßen Schmerztherapie; der VfB wird Letzter bleiben und sich nicht einmal als Dritter für den Uefa-Cup qualifizieren.

In Lyon zumindest befanden sie sich in guter Gesellschaft. Es ist der Hauptfriedhof deutscher Fußballträume. Hier entblößte sich die Nationalelf bei der WM 1998 beim 0:3 gegen Kroatien, hier trieb Olympique in der Champions League Werder Bremen mit einem 7:2 und Bayern München mit 3:0 die Schamesröte ins Gesicht. So gesehen gelang dem VfB der beste Auftritt einer deutschen Elf in Lyon. Es war ein rasantes Spiel, das noch einmal das Bildnis einer ehemaligen Meisterelf zeichnete: Ihre fehlende defensive, auch geistige Beweglichkeit, um auf Europacuptempo zu bestehen, aber auch ihren Kampf, die Ideale nicht zu verraten, anzugreifen, die hohe Geschwindigkeit anzunehmen. Die Analyse, warum sie in Europa scheiterten, wurde längst gemacht: überarbeitete Spieler, Verletzungen, mangelnde Integrationskraft der Neuen.

Penetranter Misserfolg, wie ihn der auch in der Bundesliga auf Rang zwölf durchhängende VfB erlebt, trägt Missgunst in jede Profielf. Der neue Außenstürmer Ewerthon ist das erste Ziel des Gezickes der Kollegen. Das Misstrauen trifft einen Neuen wie Ciprian Marica - prinzipiell ein purer Klassestürmer - auch im Spiel, wo er unbewusst nicht gesucht wird und - ebenso unbewusst - sich meist bald auch nicht mehr richtig zeigt. Auch die Beliebtheit von Sportdirektor Heldt im Team nähert sich der eines Mannes mit Bayern-Trikot im Stuttgart-Block an, seit er nach dem 1:2 in Rostock mit einer Brandrede vor dem Team auftrat. Und so lässt sich die Einschätzung der Elf nur teilen, dass Heldt, der eloquent analysieren kann, in der Krise nichts Besseres einfiel, als zu brüllen, wie viel Geld sie, die Profis, verdienten. Doch diese Spannungen haben nicht das Niveau einer Selbstzerstörung erreicht.

Die Qualität, sich in der biederen Bundesliga nach oben zu robben, scheint noch immer durch. Es war ein seltenes Spiel, mit dem Mittelfeld als kampffreie Zone, so schnell und klug überbrückten es beide Teams. Von der rechten Abwehrseite in die linke Angriffsposition gelangte Lyon etwa beim 1:0 über fünf Spieler, und bis auf einen spielten alle den Ball direkt. Genau wie bei den folgenden Toren überforderte die Lyoner Direktheit Fernando Meira, Ludovic Magnin oder Sami Kheidra. In die andere Richtung jedoch flogen die Steilpässe von Thomas Hitzlsperger. Dass just der Kreativste dann beim Stand von 3:2 mit einem Elfmeter scheiterte, gehört in diesen kruden Stuttgarter Wochen dazu.

Hitzlsperger war vor zwei Jahren das Ziel des ungerechten Getuschels im Team, "spiel hier nicht den Überfußballer" - so kanzelte ein prominenter Kollege seine Steilpässe ab. Heute ernähren die mutigen Zuspiele Mario Gómez, der beide Tore erzielte. Den Retter, den viele im Fußball gerne herbeisehnen, gibt es auch in Stuttgart nicht. Aber mit Spielern wie Hitzlsperger wird der VfB diese geliebte, verfluchte Champions League einfach hinter sich lassen.

RONALD RENG

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