280 Tage bis zur Fußball-WM: Lahme Lausbuben

Das Schwarz-Rot-Gold-Gewedele ist vorbei: Fußball ist vom Partywahn befreit - aber auch von Qualität. Kann man anderen Mannschaften die deutsche überhaupt zumuten?

Nach der Hysterie ist das deutsche Team eine spaßfreie Zone geworden. Bild: dpa

BERLIN taz | 280 Tage sind es noch bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Nur noch. Die Deutsche Fußballnationalmannschaft steht kurz vor den entscheidenden Spielen um die Qualifikation für das Mega-Turnier. Und doch: Von Fußballfieber rund ums deutsche Eliteteam kann keine Rede sein.

Am Samstag steigt in Leverkusen ein Testspiel gegen Südafrika. Nur 30.000 Zuschauer passen in die schnuckelige, runderneuerte Arena. Und doch gab es bis letzten Donnerstag noch Karten. Am Mittwoch (9. September) steht das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan an. Von den knapp 50.000 Karten sind gerade einmal die Hälfte verkauft. Deutschlands beste Kicker präsentieren sich, und die Fans schauen weg. Was ist da los?

Lang ist es noch nicht her, da hat Fußballdeutschland einem Testspiel gegen Georgien regelrecht entgegengefiebert. Das war im Oktober 2006. Der Rausch der Heim-WM war noch nicht abgeklungen. Bastian Schweinsteiger hieß noch Schweini, Lukas Podolski Poldi. Es war ein wahrhaft schauderhafter Kick seinerzeit in Rostock.

Negativer Höhepunkt war eine Rote Karte für Podolski. Schweinsteiger hat das 1:0 geschossen und das 2:0 vorbereitet. Das Land versank einmal mehr in Glückseligkeit, weil es neue Geschichten präsentiert bekam vom scheinbar ewigen Lausbubenduo des deutschen Fußballs. Die Poldi-Schweini-Hysterie, die ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Deutschland beim Confederations-Cup ausgebrochen war, sie schien kein Ende nehmen zu wollen.

Ja, auch über Fußball wurde gesprochen damals. Das Offensivspiel der WM-Elf hatte gefallen. Auch freute man sich, dass Nach-WM-Bundestrainer Joachim Löw immer wieder versprach, das schnelle Spiel nach vorne zu inszenieren. Doch all diese sportlichen Diskussionen sollten nur den Rahmen bilden für eine immerwährende Sause. Aber das Partyvolk wurde müde.

Podolski spielte bald zusammen mit Schweinsteiger beim FC Bayern München. Witzig wollten sie nicht mehr sein in ihrer ewigen Suche nach der Form. Sie taumelten von einer sportlichen Krise in die nächste. Und auch neben dem Platz boten sie kaum mehr Unterhaltsames.

Die beiden zogen nicht in eine WG, heirateten nicht, bekamen keine Kinder zusammen. Sie wurden langweilig. Dass sie zwar gute Kicker sind, aber keine von Weltformat, wurde immer klarer. Die Schweini-Poldi-Show war vorbei. Das Partyvolk zog weiter - und ließ die Nationalmannschaft links liegen.

Die Fußballshow fand fortan beim FC Bayern statt, bei dem Jürgen Klinsmann der große Unterhalter war, in Hoffenheim, dem Fußballdorf eines scheinbar verrückten Milliardärs, beim VfL Wolfburg mit Scheinbar-Genie Felix Magath an der Linie und wieder beim FC Bayern mit dem Wunderholländer Arjen Robben.

In der Nationalmannschaft wurde derweil gewerkelt. Joachim Löw bastelte an der Innenverteidigung, tat sich lange schwer, einen müde gewordenen WM-Helden wie Torsten Frings zu entsorgen, und musste erkennen, dass vermeintliche Wunderstürmer wie der in der Liga zeitweise treffsichere Patrick Helmes im internationalen Vergleich gar nicht gut dastehen.

Es begann eine Diskussion darüber, ob deutsche Fußballer wirklich gut genug sind, anderen Mannschaften ihr Spiel aufzuzwingen. Die letzten Spiele, auch das jüngste gegen die Zwerge aus Aserbaidschan, ließen Zweifel daran aufkommen. Der Bundestrainer stellte sich den Diskussionen, betonte immer wieder, dass das Team noch lange nicht weltspitze sei, und bastelte weiter an seiner Mannschaft.

Jetzt vor dem Spiel gegen Südafrika steht Löw in der Kritik, weil er einen gewissen Stefan Kießling, der in den ersten vier Spielen der Bundesligasaison vier Tore für Leverkusen geschossen hat, nicht nominiert hat. Stefan Kießling als Retter der lahmenden deutschen Offensive? Stefan wer? Da muss das Partyvolk passen.

Das Nationalteam ist längst zur spaßfreien Zone geworden. Dem Bundestrainer wird es recht sein, dass rund um die Stadien, in denen sein Team aufläuft, nicht mehr der schwarz-rot-goldene Wahnsinn regiert. Er muss die WM-Qualifikation schaffen. Vielleicht sogar mit Stefan Kießling. Erst dann kann wieder eine große Sause gefeiert werden. Wie gesagt. In 280 Tagen beginnt die WM.

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