Schach-Weltcup in Russland: Starren hilft beim Denken

Im Chanty-Mansijsk werden die Weichen gestellt, wer demnächst um die Schachweltmeisterschaft spielen darf. Außer Iwantschuk müssen sich die Branchen-Riesen nicht abmühen.

Wassili Iwantschuk plant den Angriff auf den Weltcuptitel. Bild: dpa

Wenn Wassili Iwantschuk lange nach oben ins Leere blickt, wird es gefährlich für seine Kontrahenten. "Rechne ich sehr weit, ist es besser, an die Decke zu starren. Es vernagelt mir nicht den Kopf, ich sehe die Position klarer, die aus der Brettstellung nach fünf, sechs Zügen entstehen kann!", berichtet der Schachgroßmeister aus der Ukraine und ergänzt, "manchmal ist der Blick weg an die kahle Wand sehr hilfreich!"

Beim Weltcup im russischen Chanty-Mansijsk bekam dies zum Auftakt Pedro Aderito zu spüren. Der Außenseiter aus Angola war beim 0:2 gegen den topgesetzten Weltranglistenzweiten chancenlos. Nach dem Einzug unter die letzten 64 schaut Iwantschuk aber schon voraus. Er plant den Angriff auf den Titel, den er schon im Blitzspiel eroberte. Der 38-Jährige will endlich auch Weltmeister im Turnierschach werden. Vergangene Woche hatte der Remagener Bundesligaspieler die versammelte Elite in Moskau düpiert. Bei der Blitz-WM, bei der jeder Spieler nur fünf Minuten Bedenkzeit pro Partie erhält, setzte sich Iwantschuk nach 38 Runden mit einem Punkt Vorsprung vor Weltmeister Viswanathan Anand (24,5) durch - obwohl bei diesen Schachsprints garantiert keine Zeit fürs Starren an die Decke bleibt. Wladimir Kramnik (21,5), der seinem russischen Landsmann Garri Kasparow 2000 den Titel abgejagt und sieben Jahre innehatte, belegte im Nobelkaufhaus GUM nur Platz sechs.

Beim Weltcup im Ural brauchen sich drei der vier Branchen-Riesen aber im Gegensatz zu Iwantschuk nicht abzumühen. Der Großmeister aus Lemberg muss dagegen das Turnier gewinnen, will er 2009 zum zweiten Mal in ein WM-Finale gelangen. Anand ist als neuer Champion ohnehin gesetzt. Der Inder hat allerdings Kramnik ein Revanchematch zu gewähren. Das dürfte im Spätherbst 2008 in Deutschland über die Bühne gehen. In einer komfortablen Situation befindet sich überdies Wesselin Topalow. Der Bulgare hatte im Vorjahr bei der "Toiletten-Affäre" zwar die WM-Wiedervereinigung mit Kramnik verloren, aber beim Schach-Weltverband Fide die Rückkehr in den WM-Zyklus erstritten. Topalow trifft daher auf den Weltcup-Sieger und der Gewinner dieses Duells auf den künftigen Weltmeister.

So weit denkt Kramnik derzeit noch nicht. Der in Paris lebende Russe sonnt sich lieber im Glanze seines Turniersiegs beim Tal-Memorial. In der Vorwoche hatte der 32-Jährige die Konkurrenz mit 6,5 Punkten um 1,5 Zähler distanziert. Deshalb dürfte Kramnik in der nächsten Weltranglistenliste im Januar den pausierenden Anand auf Position eins überflügeln. Verbal eröffnete Kramnik schon einmal den Kampf um den Titel: "Die WM gegen Anand zu gewinnen, ist wichtiger", unterstrich der Pariser. Weil er in Zweikämpfen bisher kaum zu schlagen war, Anand aber die meisten Turniersiege feiert, degradierte Kramnik ihn zum "Weltmeister auf Asche" - der 32-Jährige sieht sich dagegen in weiterer Analogie zum Tennis als Roger Federer, der eben gegen "Sandplatzspezialist Rafael Nadal" je nach Untergrund keine Chance habe.

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