Trainer-Rauswurf beim VfB : Stuttgart will nicht Hertha werden

Der VfB Stuttgart beurlaubt Coach Christian Gross nach einem klassischen Fehlstart. Als Nachfolger ist jetzt unter anderem Christoph Daum im Gespräch.

Umsonst gebrüllt: Christian Gross wird von den Schwaben vom Platz gestellt. Bild: rtr

Dieser Rauswurf muss Christian Gross wie ein Déjà-vu vorkommen. Auch bei Tottenham Hotspur, seiner ersten Station im Ausland, war er nach zehn Monaten entlassen worden, auch zu Saisonbeginn und auch nach einer sehr erfolgreichen Rückrunde, in der der englische Klub den Klassenerhalt gesichert hatte. Seinerzeit ließ Gross, 54, der von der englischen Boulevardpresse als "Swiss army officer" verspottet wurde, durchblicken: "Das kommt zu früh, das ist für mich unverständlich."

In der Zeit an der White Hart Lane war Jürgen Klinsmann Gross Gegenspieler, in Stuttgart war es zuletzt wohl vor allem Fredi Bobic, der Manager, der sein Amt erst zu Saisonbeginn von Horst Heldt geerbt hat. Immer wieder wurde kolportiert, die beiden verstünden sich eher schlecht als recht, aber das allein führte wohl nicht zur gestern Vormittag verkündeten Trennung von Gross: Es fehlte vielmehr der Erfolg. Stuttgart ist vorm Spiel am Samstag gegen Schalke Tabellenletzter mit drei Punkten, sechs Niederlagen, nur einem Sieg und einer Tordifferenz von 12:15. Der VfB ist so schlecht in die Saison gestartet wie seit 36 Jahren nicht mehr.

Was in der vergangenen Saison Hertha BSC war, ein ambitionierter Spitzenklub, der eine formidable Bruchlandung hinlegt, das droht in dieser Spielzeit Stuttgart zu werden. Hier gibt es gleichfalls eine merkwürdige, in die Vergangenheit reichende Parallele. Hertha BSC hatte Trainer Lucien Favre nach dem siebten Spieltag entlassen - so wie es jetzt auch in der Stadt der Aufständigen (Stuttgart 21) der Fall ist. Was die VfB-Führung jetzt umtreibt, ist die Frage: Wie können wir den Fall ins Bodenlose verhindern? Stuttgart will nicht Hertha werden.

In der Verantwortung ist nun erst einmal der Assistenztrainer Jens Keller. Er führt das Amt ad interim. Ein renommierter Trainer soll kommen. Dass in den vergangenen Tagen ausgerechnet der Name Christoph Daum durch einige Gazetten geisterte, hat mit den besonderen Stuttgarter Verhältnissen zu tun. Es heißt, Aufsichtsratschef Dieter Hundt schätze Daum, zudem ist Daum mit dem Brustsponsor des VfB, der Garmo AG ("Gazi") und deren Chef Eduardo Garcia wirtschaftlich verbandelt. Sechs Millionen zahlt Garcia, der auch im VfB-Aufsichtsrat sitzt, pro Jahr an den Klub. Er hat ein Interesse, dass Stuttgart vorn mitspielt. Ob er sanften Druck ausüben kann bei der Auswahl des Trainers, das wird man in den kommenden Tagen sehen.

Gross, der in seiner Schweizer Heimat stets sehr erfolgreich arbeitete - er war immerhin 9-mal Trainer des Jahres im Alpenländle -, bekrittelte in der Vergangenheit das zögerliche Verhalten von Präsidium und Aufsichtsrat bei Spielerverpflichtungen. Gross hätte vor der Saison gerne mehr als jene 12,5 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben, doch Präsident Erwin Staudt steckt das Geld lieber ins Stadion; im Sommer 2011 soll es fertiggestellt werden, und es wäre ein Horror für Staudt, wenn im neuen Oval dann der Zweitligist VfB Stuttgart spielte.

Investition in Steine oder Beine, das war der Streitpunkt. Aber es war ja mitnichten so, dass Gross aufgrund finanzieller Nöte gezwungen war, ein Team von No-Names und Jugendspielern zu trainieren. Er musste zwar die Abgänge von Leistungsträgern wie Lehmann, Khedira und Hleb verkraften, aber es verblieben ja noch solche Fachkräfte wie Cacau, Tasci, Kuzmanovic, Gentner oder Träsch. Mit Kickern dieses Formats muss man nicht auf Platz 18 stehen, das war auch Gross klar.

Der Schweizer war seit dem 6. Dezember 2009 als Nachfolger von Markus Babbel Chefcoach der Schwaben. Unter seiner Leitung arbeitete sich der Verein in der Rückrunde der vergangenen Saison aus der Abstiegszone noch auf einen Europa-League-Platz vor. Der Schweizer wurde bereits als dritter VfB-Trainer innerhalb der vergangenen zwei Jahre entlassen.

Zur Begründung für die Ablösung von Gross sagte Präsident Staudt am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz: "Wir haben allergrößte Sorge. Es ist die schwierigste Situation in der Bundesliga-Geschichte für den VfB - ein Ausnahmezustand." Manager Bobic ergänzte, Gross habe in den gemeinsamen Gesprächen "keine Lösungsansätze" der Probleme bringen können. MARKUS VÖLKER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.