Schach-WM in Sofia: Wilde Achterbahnfahrt ins Remis

Herausforderer Wesselin Topalow fürchtet ein finales Remis. Denn dann wird Schnellschach gespielt, die Lieblingsdisziplin seines Gegners Viswanathan Anand.

Es sieht nicht gut aus für den Herausforderer Wesselin Topalow (r.) Der Inder Viswanathan Anand (l.) hat derzeit die "besseren Karten". Bild: reuters

SOFIA taz | Bei der Schach-WM steht Dienstag die letzte Schlacht an. An ein Remis im Zentralen Militärklub von Sofia verschwendet Herausforderer Wesselin Topalow lieber keinen Gedanken. Bei der Frage nach der drohenden Verlängerung im Schnellschach schnappt der Bulgare erst einmal nach Luft und antwortet anschließend: "Noch ist eine Begegnung zu spielen. Ich denke nur von Partie zu Partie - und natürlich ist es ein entscheidender Vorteil, im letzten Duell Weiß zu haben."

Der Weltranglistenzweite weiß, dass er aufs Ganze gehen muss. Beim vierten Unentschieden in Folge zum 6:6-Endstand hielte Weltmeister Viswanathan Anand in der Verlängerung am Donnerstag alle Trümpfe in der Hand.

Nicht umsonst lautet einer der Kampfnamen des Inders der "schnelle Brüter". Der Inder gilt als bester Schnellschachspieler aller Zeiten und räumte bei den Chess Classic in Frankfurt und Mainz ein Jahrzehnt lang ununterbrochen den WM-Titel ab, ehe er 2009 erstmals entthront wurde.

Topalow hingegen vermag keine beeindruckenden Ergebnisse vorzuweisen in der Sparte mit nur rund einer halben Stunde Bedenkzeit für die gesamte Partie. "Topalow zeigte bisher immer Nerven, wenn es zum Schnellschach kam", erinnert Großmeister Klaus Bischoff unter anderem an die WM 2006, als der Bulgare ebenfalls nach einem 6:6 gegen den Russen Wladimir Kramnik den Kürzeren zog. Eine völlig aussichtslose Lage im Falle einer Verlängerung will der deutsche Rekord-Blitzmeister dem Bulgaren aber keineswegs zuschieben.

"Die tun schon alle so, als ob Topalow gar nicht mehr anzutreten braucht", rückt er die Verhältnisse gerade. Deshalb zweifelt Bischoff daran, dass der Herausforderer "am Dienstag völlig halsbrecherisch angreift" - außerdem geht es auch um die Aufteilung der zwei Millionen Euro Preisgeld.

Beim Stand von 5,5:5,5 besitzt zunächst Topalow die besseren Karten. Gegen den mächtigen "Aufschlag" des Herausforderers muss der Tiger von Madras erst einmal bestehen. Schließlich gewannen beide Seiten nur mit Weiß jeweils zwei Partien.

Im elften Duell am Sonntagabend hoffte Topalow ausnahmsweise mit Schwarz auf mehr. "Ich stand besser", analysierte der 35-Jährige, der von dem Bauernvorstoß c2-c4 im ersten Zug überrascht wurde. "Das hat er noch nie in einer ernsten Partie gespielt", glaubte sich der Exweltmeister zu erinnern und antwortete nach zehn Schrecksekunden mit dem Bauern von e7 nach e5.

Doch auch Anand geriet "in einem Moment in Aufregung - fand aber doch keinen Gewinn". Der 40-Jährige opferte im 49. Zug einen Bauern, um mit den verbleibenden Turm, Springer und zwei Bauern sowie dem König einen gefährlichen Angriff einzuleiten. Sein Gegner witterte die Gefahr und fand die präzisesten Verteidigungszüge.

Die wilde Achterbahnfahrt auf dem Brett, die die Millionen Fans im Internet erregte, endete im 65. Zug durch ein Dauerschach von Anand. Mit solch einem wäre der Weltmeister heute auch zufrieden.

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