Sonntagsspiel Wolfsburg gegen Gladbach: Wölfe sekundenlang Weltklasse

Beim 2:1 über Borussia Mönchengladbach spielt der deutsche Fußballmeister auf höchstem Niveau. Allerdings nur einen Konter lang.

Kampf um die Lufthoheit: Gladbachs Rob Friend ist schneller als Wolfburgs Keeper Diego Benaglio. Bild: ap

WOLFSBURG taz | Es war Weltklasse, was Wolfsburg spielte. Einen Konter lang. In der Nachspielzeit. Das mag einem dünn vorkommen, aber grade auch im Fußball muss man zu schätzen wissen, was man kriegt. Grafite initiierte den magischen Moment mit einem seiner berüchtigten Hackentricks, Dzeko spielte den einfachen Paß, und Gentner schoss in der Nachspielzeit zum 2:0 ein (90.+2).

Ansonsten kriegte man am Sonntagabend ein mäßiges 2:1 des deutschen Fußballmeisters über den Tabellensiebzehnten Borussia Mönchengladbach. Madlung hatte Wolfsburg in Führung gebracht (45.+1), Bradley erzielte mit dem Schlusspfiff den Gladbacher Treffer (90.+3).

Mönchengladbach verteidigte in der ausverkauften Arena gut organisiert mit zwei Sechsern vor der Viererkette und hatte sein emotionales Highlight, als Stürmer Bobadilla ein Geschenk von Madlung ablehnte: In Verkennung der Situation versuchte er aus 18 Metern einen Hackentrick, anstatt mit dem Ball gemütlich ins leere Tor zu spazieren (69.).

"Dass er das Tor machen muss, ist keine Frage", sagte sein Trainer Michael Frontzeck. Ansonsten waren er und Manager Max Eberl bemüht, die fünfte Niederlage in Folge positiv zu deuten, das heißt, durch die wiedergewonnene Kompaktheit als "richtigen Schritt" zur Vermeidung der sechsten. Gladbach möchte mittelfristig planen. Dass Frontzecks Team in dieser Saison zu jenen fünf, sechs Mannschaften gehört, die die Absteiger unter sich ausmachen, ist keine Überraschung, sondern der Anfang von seinem Arbeitsauftrag.

Der VfL Wolfsburg steht derweil da, wo man Minimum hin will – auf Platz fünf. "Aber das bringt uns ja gar nichts", sagt Trainer und Manager Armin Veh. Weil: Am neunten Spieltag sei noch keiner Fünfter geworden. "Und Meister auch nicht."

Es wird noch ein Weilchen unklar bleiben, was diese Saison bringen kann, in der Veh einen schwierigen Job hat. Er muss den historischen Erfolg seines Vorgängers Felix Magath nicht wiederholen, aber er muss die VW-Tochter als nachhaltiges Spitzenteam etablieren. Und dabei mit den Mehrbelastungen und üblichen Nachwehen fertig werden.

Klar ist, dass einige Spieler, die im Vorjahr am Limit waren, einen nicht unüblichen Durchhänger haben. Für den vormaligen Abwehrgiganten Andrea Barzagli verteidigte erneut und zur vollsten Zufriedenheit von Veh der Portugiese Ricardo Costa. Und für Torschützenkönig Grafite stand 57 Minuten lang Neuzugang Obafemi Martins auf dem Platz.

Um es klar zu sagen: Er rechtfertigte die Nominierung nicht. "Verkrampft", fand ihn Veh, nicht in der Lage, das rüberzubringen, womit er im Training seinen Chef überzeugt hatte. Eigentlich gilt er als Stürmer, der besser ins Kombinationsspiel zu integrieren ist als Konkurrent Grafite. Die Sprachregelung lautet, dass man "drei gute Stürmer" habe – und dass auch der degradierte Torschützenkönig den "Teamgedanken" lebe. Im übrigen hat Veh nach Wälzen von Statistiken bzw. Lektüre der Bild-Zeitung erfahren, dass noch jeder Torschützenkönig im Jahr danach wegen des immensen Drucks abrutschte. Insofern sei die Bankplazierung auch vom Gedanken getragen, "heute den Druck von ihm zu nehmen."

Es ist kein Geheimnis, dass Grafite ein Konterstürmer ist, nicht unbedingt gemacht für jenen Ballbesitzfußball, den Veh anstrebt. Dass die Umstellung von Felix Magaths Flugballspiel nicht einfach wird, gilt aber nicht nur für Grafite.

Das VfL-Team war um Ordnung und Dominanz bemüht, aber der Ball lief viel zu langsam, um die defensivorientierte Borussia ausspielen zu können. Zvjedzan Misimovic hatte zwar den Assist zu Madlungs Tor, mühte sich aber ansonsten in der Kreativzentrale vergebens um einen jener Pässe, die auch eine sortierte Abwehr schachmatt setzen. "Die standen gut", fand er, "das war nicht so überzeugend von uns".

Auch Gentners eingestreute Flugbälle auf Dzeko brachten nicht den gewünschten Erfolg. Sinn machten sie allemal: Edin Dzeko war mit seinen individuellen Qualitäten der auffälligste Spieler der ersten Halbzeit, in der er allerdings an Latte (3.) und Innenpfosten (30.) scheiterte. Er gehört zu den VfL-Profis, die das Niveau des Vorjahres konserviert haben und steht vollkommen zurecht auf der Nominierungsliste für "Europas Fußballer des Jahres."

Dass die Wolfsburger solche Spiele mittlerweile gewinnen, zeigt, dass sie auf einem bestimmten Niveau agieren. Dass sie dermaßen Mühe hatten, zeigt, dass sie nicht mehr die defensive Stabilität der Vorsaison besitzen. Der Licht-und-Schatten-Auftritt von Madlung steht ein bißchen für das ganze Team. Eigentlich "einen guten Job gemacht", wie Veh ihm attestierte, "bis auf die eine Szene".

Die schlampige Defensive hat bereits zu 16 Gegentoren geführt und ist etwas, was man in der Champions League überhaupt nicht brauchen kann. Am Mittwoch trifft der VfL in seinem dritten Gruppenspiel auf Besiktas Istanbul. Einmal hat man gewonnen (gegen ZSKA Moskau), einmal verloren (bei Man United). Dies ist das Heimspiel, dass man gewinnen muss, um das Achtelfinale anpeilen zu können.

Und dann muss man zu Hertha BSC. Und das muss man auch gewinnen. Undsoweiter. "Ich denke", sagt Armin Veh, "dass wir uns ganz gut aus der Affäre ziehen". Tabellarisch auf jeden Fall.

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