Brasilien gegen Nordkorea: Glanzlos am Unentschieden vorbei

Nordkorea war drauf und dran, dem fünfmaligen Titelträger ein Unentschieden abzutrotzen. Doch das Spiel endete mit einem wenig überzeugenden 2:1 für Brasilien.

Bestürzung und Freude: Nach einer ereignisarmen ersten Hälfte schießt Brasilien ein Tor. Bild: ap

BERLIN taz | Die Furchen auf Carlos Dungas Stirn schienen immer tiefer zu werden, die Blicke seiner Spieler immer verzweifelter. Doch dann hatte Maicon auf der rechten Seite endlich einmal freie Bahn. Jeder, auch Nordkoreas Torwart Ri Myung Gok, erwartete eine Flanke, doch Maicon zog einfach ab und traf aus spitzestem Winkel an dem verdutzten Gok vorbei ins Tor. Bis dahin hatte sich im kalten Johannesburg erstaunliches abgespielt, ja es hatte nach einer der größten Sensationen der neueren Fußballgeschichte gerochen.

Nordkorea, zum ersten Mal seit 1966 bei einer WM dabei, war bis dahin drauf und dran gewesen, dem fünfmaligen Titelträger ein Unentschieden abzutrotzen. Doch Maicons Geistesblitz ebnete den Weg für einen glanzlosen 2:1 Sieg Brasiliens - nach einem weiteren Tor durch Elano und einem späten Anschlusstreffer Nordkoreas – und bewahrte sein Land so vor einer vor dem Spiel kaum für möglich gehaltenen Blamage. Nordkorea hingegen hat mit der knappen Niederlage einen großen Achtungserfolg erzielt.

Es war das Spiel des großen Favoriten gegen das große Rätsel. Brasiliens Trainer Carlos Dunga hatte schon im Voraus klar gemacht, dass er seine Stammformation nicht ändern würde. Auch wenn damit er damit wohl erneut den Zorn seiner Landsleute auf sich zog. Denn für viele Brasilianer betreibt Dunga mit seiner rationalen Spielweise - drei defensive Mittelfeldspielern (Felipe Melo, Michel Bastos Gilberto Silva) hinter der alleinigen Kreativzentrale Kaka - Verrat am Jogo Bonito, dem schönen Spiel. Sollte der Erfolg ausbleiben, und Erfolg kann in Brasilien nur der Titelgewinn sein, Dungas Tage als Nationaltrainer wären höchstwahrscheinlich gezählt.

Brasilien - Nordkorea 2:1 (0:0)

Brasilien: Julio César - Maicon, Lúcio, Juan, Michel Bastos - Elano (73. Daniel Alves), Gilberto Silva, Felipe Melo (84. Ramires) - Kaká (78. Nilmar) - Robinho, Luís Fabiano

Nordkorea: Ri Myong-Guk - Cha, Pak Chol-Jin, Ri Jun-Il, Ri Kwang-Chon, Ji - An Yong-Hak, Pak Nam-Chol II - Mun (80. Kim Kum-Il), Hong - Jong

Schiedsrichter: Kassai (Ungarn)

Zuschauer: 54.331

Tore: 1:0 Maicon (55.), 2:0 Elano (72.), 2:1 Ji (89.)

Gelbe Karten: Ramires / -

Über die Nordkoreaner war, außer über Stürmer Jong Tae-se, den selbst ernannten Wayne Rooney des Ostens, praktisch nichts bekannt. So gab es nur Vermutungen, dass die Stärken des Teams im Kollektiv liegen und es sich wohl auf die Defensive konzentrieren würde. Doch was, wenn der „große Führer“ Kim Jong-il im Geheimen seit Jahren an einer Mannschaft gefeilt hätte, die die Welt schockieren würde?

Schnell wurde klar, dass diese Theorie nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Was auch immer die Spieler gemacht haben, während der neun Monate, die die Mannschaft angeblich in Nordkorea kaserniert war, es hat gewirkt. Ohne Scheu vor den großen Stars des Gegners und der großen Kulisse in Johannesburg traten die ganz in Rot gekleideten Spieler auf und machten ihrer Disziplin, ihrem Fleiß und ihrer Dynamik den Brasilianern das Leben schwer.

Natürlich machten die Brasilianer das Spiel und natürlich waren sie technisch hoch überlegen, ja, eigentlich spielten sie nicht einmal besonders schlecht. Doch außer ein paar Distanzschüssen brachte das lange Zeit nichts ein. Gegen das nordkoreanische Abwehrbollwerk, die erste Fünferkette bei diesem Turnier, gab es einfach kein Durchkommen. Erstaunlicherweise kamen die flinken, giftigen Nordkoreaner dabei meist ohne Fouls aus. Und hin und wieder trauten sie sich sogar zu kontern, wie in der 17. Minute als Jong Hyok nach einem schönen Angriff knapp über das Tor schoss.

Letztlich fehlte ihnen doch ein wenig die nötige Clerverness, um die Sensation zu schaffen und das Unentschieden zu halten. Denn nach Maicons Tor schien die Partie eigentlich entschieden. Nordkorea machte nie den Eindruck, tatsächlich ein Tor erzielen zu können. Dass die Spieler es in der Nachspielzeit durch Yun-Nam Jis sehenswerten Lupfer (91.) dennoch tat,en spricht umso mehr für den Charakter des Teams.

Es hat gezeigt, dass es alles andere als eine Lachnummer und ein Punktelieferant für die anderen Top-Teams dieser Todesgruppe G ist. In Brasilien hingegen wird die Kritik an Dunga immer lauter werden. Jogo Bonito zeigte die Mannschaft gegen Nordkorea nur einmal: Beim wunderschönen Pass Robinhos auf Elano, der in der 71. Minute nur einschieben brauchte, um das 2:0 zu erzielen.

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