Stuttgart 21: Bahnfahrer in den Untergrund

Die Bahn hat das umstrittene Projekt "Stuttgart 21" abgesegnet – trotz Mehrkosten von 1 Milliarde Euro. Schon im Februar soll der Bau des Tunnelbahnhofs beginnen.

Grüner MdB Winfried Hermann: "Die größte Fehlentscheidung der Schienenverkehrspolitik der letzten 100 Jahre" Bild: dpa

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat am Mittwoch "Stuttgart 21" beschlossen: Ab Februar soll mit dem Umbau Stuttgarts begonnen werden, bei dem der Kopfbahnhof samt kilometerlanger Zu- und Abfahrtsgleise in die Stadt durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ersetzt werden soll. Es ist eines der größten Infrastrukturprojekt Deutschlands.

Bis vor Kurzem gingen die Projektpartner Bund, Land, Bahn, Stadt und Region Stuttgart noch von 3,1 Milliarden Euro Kosten aus. Nun sollen es 4,1 Milliarden sein. Sie sind wegen eines Risikofonds bis 4,5 Milliarden Euro aber finanziert.

Wäre die Prognose höher ausgefallen, hätten Bund, Land und Bahn bis Ende des Jahres aus dem Projekt aussteigen können. So sah es eine Finanzierungsvereinbarung vom April dieses Jahres vor. Der neue Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte das Projekt anhand einer detaillierteren Entwurfsplanung danach nochmals durchrechnen lassen. Zudem hätte die Bahn bei einem Ausstieg der Stadt Stuttgart 450 Millionen Euro plus 5,5 Prozent Zinsen für den Verkauf von Grundstücken im Jahr 2001 zurückzahlen müssen. Grube soll nur unter der Bedingung zugestimmt haben, dass Sparvorschläge der Bahn akzeptiert werden.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Winfried Hermann, hat das Projekt jahrelang bekämpft. Es sei "die größte Fehlentscheidung der Schienenverkehrspolitik der letzten 100 Jahre", sagte er der taz. Die neuen Zahlen der Bahn hält er für politisch motiviert und nicht für wirtschaftlich kalkuliert. "Wenn man noch ein bisschen übrig lässt vom Risikoschirm, dann macht man sich nicht völlig lächerlich", sagt er. Die Bahn habe letztlich keinen Euro aus eigener Tasche beigesteuert. Das Projekt fresse anderen Bahnprojekten vor allem im Nahverkehr auf Jahre hinaus das Geld weg.

Projektgegner bekämpfen das bereits 1994 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Vorhaben seit Jahren. Sie sehen ihr alternatives Modell "Kopfbahnhof 21" als besser an. Es sieht eine Renovierung des alten Bahnhofes vor und hätte den Vorteil, dass wesentlich weniger Tunnel gegraben werden müssten. Darin liegt laut einer von Projektgegner bei den Münchner Gutachtern Vieregg & Rössler in Auftrag gegebenen Studie das größte Risiko. Die Gutachter kamen auf Kosten von 6,8 bis 8,6 Milliarden Euro.

Sparvorhaben wie dünnere Tunnelwände sieht der Regionalgeschäftsführer des Umweltverbandes BUND, Gerhard Pfeifer, ebenfalls kritisch. Dadurch würde der Wartungsaufwand später wesentlich höher. Auch seien die geplanten acht unterirdischen Durchgangsgleise vor allem für den wichtigen Nahverkehr weniger leistungsfähig als 16 oberirdische Gleise.

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