Kraftwerk-Studie: Experten uneins über AKW-Gefahr

Kinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, erkranken doppelt so häufig an Blutkrebs. Dennoch streiten die Strahlenexperten darüber, ob daran Atomkraftwerke schuld sind.

Atomkraft-Gegner fühlen sich durch die Studie bestärkt Bild: dpa

Panikmache wollte sich der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz keinesfalls vorwerfen lassen, als er am Montag in Berlin die neue Studie zum erhöhten Krebsrisiko von Kindern in der Nachbarschaft von Atomkraftwerken vorstellte. "Das Risiko, wegen des Atommeilers an Krebs zu erkranken, ist sehr, sehr gering", versicherte Wolfram König. Sehr viel wahrscheinlicher sei es, Opfer eines Autounfalls zu werden. Dennoch stellte auch König fest: "Kinder, die nahe einem Atomkraftwerk leben, erkranken häufiger an Krebs."

Verfasst wurde die Studie von Fachleuten des Deutschen Kinderkrebsregisters sowie zwölf weiterer Experten. Darin haben sie den Abstand der Wohnung von 1592 erkrankten und von 4.735 nicht erkrankten Kindern zu AKWs genau bestimmt. Derzeit sei die Studie die "weltweit methodisch aufwändigste und umfassendste Untersuchung" zur Krebsrisiko an Atomanlagen. "Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wohnortnähe und Erkrankungsrisiko ist damit für Deutschland eindeutig beantwortet", meinte der BfS-Präsident. Die zwölf Experten, die sonst in Sachen Atomkraft durchaus nicht einer Meinung sind, stünden gemeinsam hinter den "wesentlichen Ergebnissen der Studie". Die Studie ist bereits die dritte Auswertung der Daten des Mainzer Kinderkrebsregisters zum Erkrankungsrisiko in der Nähe von AKWs.

Für den Zeitraum 1980 bis 1990 ermittelte eine erste Studie ein um den Faktor 3,2 erhöhtes Leukämierisiko für kleine Kinder im AKW-Nahbereich. Eine Nachfolgestudie, die den Zeitraum 1980 bis 1995 betraf, diagnostizierte ein um den Faktor 2,87 erhöhtes Leukämie-Risiko. Untersuchungen in England und Frankreich hatten in der Vergangenheit ebenfalls ein erhöhtes Krebsrisiko diagnostiziert. Die aktuelle Untersuchung konstatiert ein um den Faktor 2,18 erhöhtes Leukämie-Risiko für Kinder, die nicht weiter als fünf Kilometern von einem AKW entfernt leben. Die Autoren der jüngsten Studie sind sich aber nicht einig, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Emissionen von Atommeilern gibt.

Die Verfasser vom Mainzer Kinderkrebsregister wollten Strahlenbelastungen durch die Atommeiler "grundsätzlich nicht als Ursache der Krebshäufung" akzeptieren, denn für diese Schlussfolgerung sei die epidemiologische Untersuchung nicht angelegt. Dem folgen die zwölf Experten allerdings nicht. Sie schließen eine Strahlenbelastung als Ursache nicht ausdrücklich aus und verweisen auf die besondere Empfindlichkeit von Kleinkindern. Über die Wirkung von Radionukliden, die mit der Atemluft oder der Nahrung aufgenommen werden, wisse man noch zu wenig. Umweltverbände forderten sofortige Konsequenzen aus der Studie: "Wer behauptet, die Studie bringe keine neuen Erkenntnisse, scheint krebskranke Kinder billigend in Kauf zu nehmen", sagte Renate Backhaus vom BUND. "Die AKWs müssen vom Netz", forderte Dirk Seifert von Robin Wood: "Angesichts der erdrückenden Fakten wollen wir nicht noch weiter warten, bis noch mehr Kinder an Krebs erkrankt sind."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.