Windstrom hat Vorrang: Kohlekraftwerke sinnlos

Eine Studie der Flensburger Uni warnt: Kohlekraftwerke an der Nordseeküste sind gigantische Fehlinvestitionen. Grund: Sie können nicht oft genug unter Volllast laufen.

Hat Vorrang: Windkraft. Bild: ap

BERLIN taz Eng wird es im deutschen Stromnetz werden, und es wird ein erhebliches Gerangel zwischen Wind- und Kohlestrom geben, sollten die 20 in Planung befindlichen Kohlekraftwerke tatsächlich in Betrieb gehen. Was Fachleute schon länger ahnen, hat jetzt Frauke Wiese, Wirtschaftsingenieurin an der Universität Flensburg, am Beispiel des Knotenpunktes Brunsbüttel durchgerechnet.

Das schleswig-holsteinische Elbstädchen an der Mündung des Nord-Ostseekanals könnte ab etwa 2012 zu einem der größten Kohlestandorte der Republik werden. Vier Kraftwerksblöcke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt 3.200 Megawatt sind von den verschiedenen Investoren geplant. Zudem soll in Brunsbüttel auch noch der Strom aus den Windparks auf hoher See eingespeist werden, die in den nächsten Jahren vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste entstehen. 11.500 Megawatt sind im Endausbau im Einzugsgebiet von Brunsbüttel bisher geplant, so Frauke Wiese.

Zusammen würden die Kohlekraftwerke und die Windanlagen auf dem Meer schon für den Bedarf einer Millionenstadt reichen - der Strom kann also in der Region kaum verbraucht werden. Hochspannungsleitungen müssten den Strom daher in die Verbrauchszentren im Landesinneren bringen. Allerdings reichen die bisherigen Netzkapazitäten in Brunsbüttel dafür auf keinen Fall. Selbst bei einer Verdoppelung auf 7.000 Megawatt, wovon Wiese in ihrer Modellrechnung ausging, wird es eng.

Für die Betreiber der Kohlekraftwerke würde das schnell zu einem Problem: Jedes Mal, wenn es auf See ordentlich weht, müssten die Kohlekraftwerke stillstehen, da nach der bisherigen Gesetzeslage der Windstrom den Vorrang hat. Statt der 7.000 bis 8.000 Volllaststunden im Jahr, für die die Kraftwerke gebaut und ökonomisch kalkuliert sind, könnten die Anlagen nur 4000 bis 6000 Stunden laufen, hat Wiese berechnet.

Diese Situation wird sich - da ist sich Olav Hohmeyer, der die Arbeit der jungen Wissenschaftlerin betreut hat, sicher - an anderen Kraftwerksstandorten wiederholen. Da Problem der Kohlekraftwerke sei deren Trägheit. Sie brauchen relativ lange, um hoch und runter gefahren zu werden. Genau das werde aber beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger nötig sein.

Unter den gegebenen Rahmenbedingungen werden Kohlekraftwerke daher unrentabel sein - insbesondere, wenn die Betreiber künftig für die Kohlendioxid-Emissionszertifikate zahlen müssen. Mehrere Dutzend Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in neue Kohlekraftwerke verbaut werden, wären in den Sand gesetzt. Hohmeyer geht deshalb davon aus, dass die Energiewirtschaft schon in wenigen Jahren einen massiven politischen Druck aufbauen wird, um den weiteren Ausbau der Erneuerbaren zu behindern.

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