EU soll Beifang neu regeln: Seehofers Herz für Fische

Horst Seehofer will neue Regeln für den Fischfang. Kritiker sind skeptisch, ob der Agrarminister es wirklich ernst meint. Verbraucher können auf das MSC-Siegel achten.

Nicht alles, was im Netz landet, kommt auf den Teller - das soll sich bald ändern. Bild: dpa

BERLIN taz Es ist paradox: Die hochindustrialisierten Fischereiflotten bringen nur zwei Drittel der gefangenen Fische mit an Land. Denn in ihren Netzen landen auch Fische, die zu klein sind oder für die sie keine Fangerlaubnis haben - Beifang nennen das die Seeleute. Weil dieser nicht in den Hafen darf, wird er über Bord geworfen. Doch das überleben die Tiere nicht. Jetzt will sich Deutschland für ein Verbot dieser Prozedur in Europa einsetzen.

Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) sagte der taz: "Mit dem Ziel der Nachhaltigkeit ist es nicht vereinbar, dass europäische Fischer verpflichtet sind, unerwünschten Beifang über Bord zu werfen." Er wolle sich darum bei der EU einsetzen: "Weg vom Rückwurfgebot, hin zum Rückwurfverbot." Das ist ein Positionswechsel für den Minister. "Bislang hat sich Seehofer gar nicht um Kabeljau und Co gekümmert", sagt Karoline Schacht vom Umweltverband WWF. Darum ist sie auch "skeptisch", wie ernst es dem Minister ist. Die Meere seien jedenfalls überfischt - und in Not. Erst vor wenigen Tagen haben die Vereinten Nationen eindringlich davor gewarnt, dass die Meere leergefischt werden. Hinzu kämen Meeresverschmutzung und Klimawandel - so seien bereits bis zu 15 Prozent der Weltmeere stark geschädigt.

Christian Nellermann, Experte des UN-Umwelprogramms Unep, sagt: "Wir befürchten in absehbarer Zukunft einen völligen Zusammenbruch der Fischbestände in den wichtigsten Fischfangzonen ohne Chance auf Erholung."

Anders als die EU gingen einige Länder das Problem der Überfischung bereits an, berichtet Magnus Herrmann vom Naturschutzbund. In Norwegen und Island zum Beispiel muss alles, was in den Netzen landet, auch an Land gebracht werden und wird auf die Fangquoten angerechnet. Bei Verstößen drohen empfindliche Geldbußen und ein vorübergehender Entzug der Lizenz. Zur Kontrolle achtet die Küstenwacht einfach darauf, ob hinter einer Flotte ein Möwenschwarm fliegt - ein untrügliches Zeichen für Fische im Meer. Naturschützer Herrmann sagt: "Der Ertrag des Beifangs ist sehr gering, also versuchen die Fischer automatisch, ihn zu minimieren" - etwa durch weitere Maschen in den Netzen, durch die kleine Fische entkommen können.

Verbraucher, die nicht warten wollen, bis Politik und Fischereiwirtschaft geplante Maßnahmen auch umsetzen, können an der Ladentheke die umweltfreundliche Fischerei befördern: Schon seit elf Jahren gibt es das MSC-Siegel für Fischereien. MSC steht für die unabhängigen Organisation "Marine Stewardship Council", die mit ihrem Zertifkat eine ökologische Fischerei bescheinigt. Ralph Kampwirth vom WWF, der MSC mitgegründet hat, erklärt die Kriterien: Zertifizierte Fischereien müssen nachweisen, dass sie nicht zur Überfischung beitragen. Auch wenn sich die Zahl der MSC-Fischereien seit 2005 verfünffacht hat, kommen sie weltweit bisher nur auf einen Marktanteil von 7 Prozent. Als erster deutscher Erzeuger bewirbt sich derzeit die Seelachsfischerei in Cuxhaven um den MSC-Standard. Bei Verbrauchern ist das ovale blaue Siegel noch relativ unbekannt.

Ob Agrarminister Horst Seehofer tatsächlich ein Herz für Fische hat, wird sich im Herbst zeigen. Dann berät der europäische Ministerrat über eine Neuregelung der europäischen Fischereipolitik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.