Klimagipfel in Poznan: Süden kämpft um Klimazahlung

Die Entwicklungsländer streiten auf dem Klimagipfel in Poznan dafür, dass der Norden ihnen dabei hilft, die Folgen der Erderwärmung zu meistern. Klar ist: Kurzfristig wird es kein Geld geben.

Leidtragenden des Klimawandels: Eine Frau in Bangladesch sucht während einer Überschwemmung nach Trinkwasser. Bild: reuters

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat auf der Weltklimakonferenz im polnischen Poznan Europa eindringlich zum Handeln aufgerufen. "Wir erwarten eine Führungsrolle der Europäischen Union. Die Entscheidungen, die gerade von den Staatschefs Europas getroffen werden, haben große Konsequenzen für die gesamte Welt", sagte er zur Eröffnung der Ministerrunde in Poznan mit Blick auf den EU-Gipfel in Brüssel. Dort ringt die EU am Donnerstag und Freitag um ein substanzielles Klimapaket. "Wir erwarten auch eine Führungsrolle der USA", ergänzte Ban. Ban sieht eine große Chance, Finanzkrise und Klimawandel gemeinsam zu lösen. Die Finanzkrise benötige hohe Investitionen, wovon das Gros in Ökoenergien fließen solle. Dies schaffe Millionen Jobs. "Die Finanzkrise ist ernst. Doch wenn es zum Klimawandel kommt, steht viel mehr auf dem Spiel", so der UN-Generalsekretär.

"Warten? Worauf denn warten", fragt Aboubacar Traore. Der Agraringenieur aus Mali arbeitet für die Entwicklungsorganisation Oxfam zum Thema "Anpassung an den Klimawandel". Traore sagt: "Würden wir wirklich warten, bis der Fonds uns Geld zuteilt, hätte niemand mehr Hoffnung." Es geht um den "adaptation fund", der armen Ländern Geld zur Bewältigung von Klimaschäden bereitstellen soll.

Dieser Anpassungsfonds war der wichtigste Beschluss der Klimakonferenz in Nairobi 2006. Seitdem sorgen die Details für Streit: Wer zahlt wie viel ein, wer verwaltet das Geld, und wer bekommt eigentlich etwas aus dem Topf? "Wir müssen den Entwicklungsländern ein klares Zeichen geben, dass wir bereit sind, die Mittel für Anpassung deutlich zu erhöhen", sagte gestern Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der UN-Klimakonferenz in Poznan.

Bislang speist sich der Fonds aus einer zweiprozentigen Abgabe auf alle Projekte des "Mechanismus für saubere Entwicklung", kurz CDM. Nach Expertenschätzung dürfte dies den Fonds mit einem Milliarden-Dollar-Betrag füllen. Gabriel: "Jedem ist klar, dass ein Vielfaches davon notwendig wird." Die "Studie über die menschliche Entwicklung" der UN kam Ende 2007 etwa zu dem Ergebnis, dass spätestens ab 2015 jährlich 60 Milliarden Euro notwendig seien, um die armen Länder in die Lage zu versetzen, sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen.

In den Verhandlungen wird deshalb darüber diskutiert, diese zweiprozentige Abgabe etwa auch im Kohlenstoffmarkt einzuführen. Dies würde bedeuten, dass 2 Prozent der Zertifikate, um welche die EU derzeit in Brüssel ringt, in den Fonds fließen. "Ein Signal an die Entwicklungsländer ist wichtig", sagt Yvo de Boer, Leiter des UN-Klimasekretariats, damit sie auf dem Weg zum Kopenhagener Klimagipfel im Jahr 2009 mit im Boot bleiben.

Agraringenieur Traore gefällt das maritime Bild allerdings nicht mehr. "Die Entwicklungsländer sind die Leidtragenden eines Problems, das sie nicht verursacht haben." In Mali beispielsweise würde jede dritte Ernte vernichtet, einmal wegen zu wenig Regen, das andere Mal wegen zu viel. "Ich versuche den Bauern, den Genossenschaften, einzuimpfen, von jeder halbwegs normalen Ernte ein Drittel beiseitezulegen für das Erntejahr, das ausfällt." Er kann sich nicht vorstellen, dass ein Anpassungsfonds so gestaltet werden kann, dass Geld dann tatsächlich bei den Bauern ankommt.

Tatsächlich hatten die Industriestaaten Vorbehalte dagegen, den Anpassungsfonds den Staaten der G 77 selbst in die Hand zu legen. Die Klimakonferenz auf Bali entschied deshalb, den Fonds unter dem Dach des Global Environment Facility (GEF) anzusiedeln, einer Weltbank-Tochter. Zwar akzeptierten das die Diplomaten, doch in den Ländern selbst sorgt es für heftige Kritik. "Man muss sich nur die Weltbank-Politik seit den 90er-Jahren ansehen: Sie hat dafür gesorgt, dass die Qualität unseres Gesundheitswesens eingebrochen ist, dass die Bildung niedergegangen ist, dass Sozialstandards geschliffen wurden. Und ausgerechnet diese Weltbank soll uns jetzt helfen", sagt der Malinese Traore.

Chefdiplomat Yvo de Boer kommentiert solche Kritik so: "Wenn alle Finanzierungsmechanismen außerhalb der Klimarahmenkonvention oder des Kioto-Protokolls installiert werden, stellt sich für die Entwicklungsländer natürlich irgendwann die Frage, warum sie da überhaupt noch mitmachen sollen." Wie schon auf Bali gibt sich de Boer aber dennoch "überzeugt", dass der Fonds ab Januar arbeiten wird. Dies bedeutet aber nicht, dass ab Januar auch Geld fließt. "Im Fonds sind Zertifikate. Die müssen erst auf dem Markt verkauft werden, und ich weiß nicht, wie angesichts der Finanzkrise dann der Preis steht", sagt de Boer.

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