Europäische Zentralbank hebt Leitzins: "Ansage an die Tarifparteien"

Die Europäische Zentralbank hebt den Leitzins auf 4,25 Prozent an. Das hilft zwar nicht gegen die Preistreiberei, setzt aber ein Zeichen. Nur was für eins?

Verwirrend oder durchsichtig? Die EZB-Banker agieren nach Lust und Laune Bild: DPA

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat es getan: Am Donnerstag erhöhte er den Leitzins im Euro-Raum um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent. So hoch war er zuletzt im August 2001, auf dem Wendepunkt der New Economy-Euphorie. Begründet haben die Notenbanker diese erste Anhebung der Zinsen seit über einem Jahr mit dem Preisanstieg, der im Juni bei 4,0 Prozent gelegen hatte.

Wirtschaftsverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßten den Beschluss. Er sei "folgerichtig und angemessen", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Dagegen waren Gewerkschafter verärgert. "Als Inflationsbremse eignet sich die Maßnahme nicht", erklärte Claus Matecki, der zum Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds gehört. Schließlich lägen die wichtigsten Faktoren für den Preisauftrieb außerhalb des Einflussbereiches der EZB-Zinsen. "Gestiegen sind vor allem die Preise für Energie und für Nahrungsmittel", sagte er. Und das deswegen, weil sie entweder knapp sind oder immer stärker beispielsweise aus Asie nachgefragt werden.

Höhere Zinsen, die das Geld im Euro-Raum verteuern, nützen da nichts, meint auch der Bremer Finanzprofessor Rudolf Hickel. "Wenn die Inder auf einmal zu viel Milch kaufen, werden sie nicht damit aufhören, weil die EZB die Zinsen erhöht."

Das weiß natürlich auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Und deshalb dürfte die Entscheidung auch durch eine ganz andere Überlegung motiviert sein. Trichet hat jüngst bereits darauf hingewiesen, dass er vor allem die so genannten Zweitrundeneffekte verhindern will: Nach dem Lehrbuch läuft eine klassische Inflation so ab, dass eine übergroße Nachfrage zunächst die Preise steigen lässt. Um zumindest einen Teil davon zu kompensieren, fordern die Gewerkschaften in der Folge auch höhere Löhne. Die Mehrkosten reichen die Unternehmen wiederum über die Preise zurück. So kann eine Spirale in Gang gesetzt werden. Das wollen die EZB-Banker offensichtlich unterbinden, indem sie ein klares Signal geben, dass es ihnen mit der Inflationsbekämpfung ernst ist.

Das Timing passt: Immerhin will die Gewerkschaft IG Metall noch vor der Sommerpause beschließen, mit welchen Lohnforderungen sie in die nächsten Tarifrunden gehen will.

"Die EZB setzt sich praktisch als dritte Partei mit an den Tariftisch", sagt Hickel. Dafür nehme sie offenbar sogar einen "falschen und belastenden Zinsschritt" in Kauf. Denn nach Einschätzung des Ökonomen nützt der höhere Leitzins nicht nur nichts. Mit dem Gros der europäischen Regierungschefs befürchtet er, dass die Zinsanhebung die Konjunktur abwürgt - vor allem angesichts der längst nicht überwundenen Finanzmarktkrise. "Die Banken wären auf Liquidität angewiesen", so Hickel. Auf dem Markt fehle aber das Vertrauen, sich gegenseitig Geld zu leihen. "Eine Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt hätte hier ein viel besseres Zeichen setzen können."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.