Kommunikationsstratege über Telekom-Skandal: "Die Manager-Eliten sind entpolitisiert"

Der Kommunikationsstratege Lutz Engelke über den Spitzelskandal bei der Telekom, die Imageprobleme der deutschen Großkonzerne und Wege aus der Krise.

"Eine Krise von kommunikativen Großsystemen": Telekom-Hauptversammlung Bild: dpa

taz: Herr Engelke, die Telekom geht mit der Zeit und hat nun mit einem Spitzelskandal umzugehen. Das ist auch ein schwer verdaubarer PR-GAU?

Lutz Engelke: Das hängt davon ab, wie Obermann in der Lage ist, eine radikale Aufklärung herbeizuführen. Ich glaube aber, wichtig ist, zu bemerken, dass wir eine ganze Agenda unterschiedlicher Vertrauenskrisen haben.

Siemens, VW, Lidl …

Das ist eine Krise von kommunikativen Großsystemen, die dahintersteckt. Das Misstrauen sitzt sehr tief. Es müssen jetzt Leute den Job machen, die sich auch etwas trauen. Da muss radikal in den Management-Eliten darüber nachgedacht werden, wie das Vertrauen wieder zurückgewonnen werden kann. Wenn der Skandal stimmt, ist die Telekom jetzt an der gleichen Stelle wie Siemens vor anderthalb Jahren.

Bei einer Reihe von Skandalen hatten Unternehmen ihre Mitarbeiter im Visier. Man sucht nach Lecks, es geht um die Steuerung der Außendarstellung, letztlich des Images. Mit dem Resultat eines Imageschadens. Wie hoch ist der Druck, der sich mit einem positiven Bild in der Öffentlichkeit verknüpft?

Es existiert eine schon paranoide Angst vor einem schlechten Image, weil die positiven Nachrichten natürlich den DAX beeinflussen. In den Rating-Agenturen ist ein positives Image bares Geld wert.

Verweist das Problem, dass Unternehmen ihren Mitarbeiter misstrauen, nicht auf eine tiefer gehende Krise?

Man muss sich fragen, warum es keinen inneren Zusammenhang mehr gibt, der die Leute an einem Strang ziehen lässt. Es gab in Stuttgart lange vor Schrempp den Spruch: "Ich arbeite beim Daimler." Da waren, vom Arbeiter bis zum Vorstand, die Leute von Stolz erfüllt. Da sollte man wieder hin.

Eine Aufgabe des Managements?

Das Grundproblem ist, dass sich Management-Eliten momentan fatal entpolitisiert haben. Es gibt kein politisches Personal mehr in dieser Art von Großkonzernen. Zudem wird in unserer Gesellschaft nicht mehr an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet. Der DAX ist zu einem Mantra geworden. Es wäre dringend geboten, eine Leitbilddiskussion zu beginnen. Es kommt darauf an, nicht den einzelnen operativen Vorgang zu erklären, sondern Rückkopplungseffekte auf die Gesellschaft und die Wertekultur in den Vordergrund zu rücken. Diese Diskussion muss von Großkonzernen initiiert werden. Es wäre eine neue Herangehensweise, dass man nicht darauf wartet, dass die Entrüstung von der Politik ausgeht.

Das halten Sie für realistisch?

Vor allem in den mittleren und neuen Management-Eliten fehlen Persönlichkeiten wie Henkel dafür. Schnellere Märkte erzeugen zudem schnellere Kommunikation, und wer darauf getrimmt ist, 100 Meter in 9,7 Sekunden zu laufen, macht auch schneller Fehler. Heute werden wichtige Entscheidungen zum Teil in zwei bis drei Stunden gefällt.

Die beste PR wäre doch eine tatsächlich gute Unternehmenskultur?

Ja, da haben sich Dinge entkoppelt. Und ich glaube da auch nicht an die Selbsterneuerungskräfte von Management-Eliten.

Wie soll das funktionieren?

Es geht um Modelle, die außerhalb von Großindustrien gelebt werden. Kleine Strukturen, die organisch gewachsen sind. Formen der Kommunikation, vergleichbar mit creative industries, wo viel kooperativer gearbeitet wird, wo man sich an Werten orientiert. Es ist die Frage, inwiefern Großkonzerne unter den Bedingungen von Globalisierung zu Lern- und Solidargemeinschaften fähig sind. Das ist allerdings schwierig.

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