Energieversorger in Bürgerhand: Einstieg bei Thüga wird konkret

Mehr als 4.000 Bürger haben bereits 25 Millionen Euro bereitgestellt - für ein bislang einmaliges Projekt: Sie wollen bei einem großen, solventen Energieunternehmen einsteigen

Solarzellen auf dem Dach der Kirche in Schönau. Von hier aus vergrößern nun die Stromrebellen ihre Wirkungsmacht. Bild: dpa

FREIBURG taz | Rund 25 Millionen Euro hat die Bürgerinitiative "Energie in Bürgerhand" (EiB) inzwischen zusammen - ihr Einstieg beim Energieversorger Thüga wird damit immer konkreter. Nachdem der Verkauf der ehemaligen Eon-Tochter an ein Konsortium aus rund 50 kommunalen Unternehmen kürzlich auch vom Kartellamt abgesegnet wurde, setzt die Initiative aus Freiburg und Schönau im Schwarzwald nun darauf, in einer schon frühzeitig angekündigten zweiten Runde in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen zu werden.

Inzwischen stehen seitens EiB auch die Strukturen für den Einstieg, der die deutsche Energiewirtschaft verändern dürfte: Seit Oktober ist die Initiative als Genossenschaft eingetragen. Die Bürger, die aus der Freiburger Umweltbewegung und aus dem Kreis der Schönauer "Stromrebellen" kommen, haben das Ziel, ihr Know-how einzubringen, um den ökologischen Umbau des Unternehmens zu ermöglichen. Die Herausforderung ist groß, denn es handelt sich bei der Thüga beileibe nicht um eine Klitsche: Die aus dem Eon-Konzern herausgelöste Gesellschaft ist mit ihren zahlreichen Beteiligungen an Stadtwerken nach den vier großen Energiekonzernen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall in Deutschland der nächstgrößte Versorger.

Die Genossenschaft wirbt nun um weitere Unterstützer: "Stell Dir vor: Mit schon 500 Euro bist Du Miteigentümer von 90 Stadtwerken mit fünf Millionen Kunden." Weiter heißt es: "Du kannst mitbestimmen, ob diese mit Atomstrom oder grünem Strom versorgt werden. Du kannst dafür sorgen, dass Millionenbeträge nicht länger in Konzernkassen versickern, sondern zurück in die Taschen der Bürger vor Ort fließen." Solche Perspektiven kommen an: Seit Juni haben sich schon mehr als 4.000 Bürger an diesem in der deutschen Strommarktgeschichte bisher einmaligen Projekt beteiligt.

Das Ziel der Genossenschaft ist weiterhin eine Beteiligung an der Thüga in Höhe von etwa 100 Millionen Euro. Um das zu erreichen, muss die Bürgerinitiative etwa 40 Millionen Euro an Eigenkapital aufbringen. Den Rest werden dann Banken als Kredit bereitstellen, schließlich gilt die Thüga als ein grundsolides Unternehmen, da sie in den vergangenen Jahren immer wieder stabile Gewinne erwirtschaft hat. EiB ist derzeit in intensiven Gesprächen mit dem Freiburger Regionalversorger Badenova, der bereits an den Verkaufsverhandlungen mit Eon maßgeblich beteiligt war.

Die Struktur der neuen Thüga sieht so aus, dass die Stadtwerke Hannover, Frankfurt und Nürnberg jeweils 20,75 Prozent der Anteile übernehmen. Die verbleibenden 37,75 Prozent gehen an die Kom9 GmbH & Co. KG, eine Gruppe von etwa vier Dutzend Stadtwerken, die von der Badenova angeführt wird. Am wahrscheinlichsten gilt derzeit die Konstruktion, dass EiB Teil der Kom9 wird.

Und der Zeitplan? "Unser Wunsch ist, dass wir uns etwa im Februar bei der gesamten Kom9 vorstellen, so dass vielleicht im April die Entscheidung fallen kann", sagt Burghard Flieger, Vorstandsmitglied von EiB und bundesweit renommierter Genossenschaftsexperte. Folglich müsste im Frühjahr dann auch die wichtige Frage geklärt werden, in welcher Höhe die Bürger bei der Thüga einsteigen können. Der Stand des Treuhandkontos, das ein Freiburger Anwalt führt, wird dabei das entscheidende Kriterium sein: "Je höher unser Verhandlungsangebot liegt, desto stärker wird unser ökologischer und bürgerschaftlicher Einfluss sein."

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