Neue Atomkraftwerke in Europa: Erdbebengefahr bei RWE

Im Aufsichtsrat wächst der Widerstand gegen den Vorstandschef Jürgen Großmann: Der will drei Atomkraftwerke an gefährlichen Standorten in Rumänien, Bulgarien und Litauen bauen.

RWE-Chef Jürgen Großmann befürwortet Kernenergie. Bild: ap

ESSEN taz Der Bau von erdbebengefährdeten Atomkraftwerken in Osteuropa sorgt beim Essener Energieriesen RWE für Streit. Der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer will RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann ausbremsen - und durchsetzen, dass die RWE-Unternehmensplanung künftig von dem Kontrollgremium abgesegnet werden muss. Darunter würden auch milliardenschwere Kraftwerksinvestitionen fallen. Dazu soll der Aufsichtsrat bei einer Sitzung am heutigen Donnerstag eine Änderung seiner Geschäftsordnung beschließen.

Großmann fährt seit seinem Amtsantritt im Oktober 2007 einen strammen Atomkurs und wirbt nicht nur in der Bundesrepublik für Atomenergie als angeblich klimaschonende Alternative zur Kohle. Der Vorstandschef will RWE mit 49 Prozent am Bau des bulgarischen Atomkraftwerks Belene beteiligen. In Rumänien soll der Essener Konzern bei der Errichtung des Atommeilers Cernavoda dabei sein. Außerdem denkt der Vorstand über Investitionen in das litauische Atomkraftwerk Ignalina nach.

Dabei liegen Belene wie Cernavoda in einem Erdbebengebiet: Schon 1983 hatten selbst sowjetische Wissenschaftler gewarnt, Atommeiler seien in der Region nicht zu verantworten. Heftig ist deshalb der Widerstand von Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie Greenpeace oder Urgewald. Belene sei "die konsequente Fortsetzung der aggressiven Pro-Atom-Politik von RWE in Deutschland", sagt Jan Becker von Robin Wood. Auch auf dem Balkan sind die Atomkraftwerke umstritten: Vor einem "neuen Tschernobyl" warnen über 100 südrumänische Gemeinderäte. Bürgermeister in Nordbulgarien weisen auf die Erdbebengefahr hin. Und der ehemalige Leiter der bulgarischen Atomaufsicht, Georgui Kastchiev, spricht von "nicht tolerierbaren Sicherheits- und Umweltrisiken".

Der 20-köpfige RWE-Aufsichtsrat ist deshalb laut Insidern gespalten. SPD-Oberbürgermeister wie der Dortmunder Gerhard Langemeyer und die Mülheimerin Dagmar Mühlenfeld lehnten die AKW-Neubauten ab. Städte und Gemeinden halten zusammen 26 Prozent Anteile an RWE als ehemalige Essener und Dortmunder Stadtwerke. Auf Distanz geht offenbar auch der Chef der Gewerkschaft Ver.di, Grünen-Mitglied Frank Bsirske. Unterstützt wird der Milliardär dagegen von der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE).

RWE-Vorstandschef Großmann ist bekannt für seinen autoritären Führungsstil. Er will RWE umstrukturieren und hat dabei die Mitbestimmung bei der RWE-Tochter Systems mit Standort in Dortmund ausgehebelt.

Offiziell will sich kein Aufsichtsrat äußern - die Kontrolleure verweisen auf das Geschäftsgeheimnis. Die Bürgermeister und Gewerkschafter müssten klar Position beziehen, fordert deshalb der Energieexperte der Grünen im NRW-Landtag, Reiner Priggen: "Die sitzen doch nicht aus eigener Kraft im Aufsichtsrat, sondern vertreten nur ihre Bürger und Mitglieder."

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