"Vorgeschobene moralische Kampagne": Flatrate-Bordelle aus Verkehr gezogen

Gegner der Sex-Flatrate wehren sich erfolgreich gegen Pussy-Clubs. Die Betreiber hingegen fühlen sich missverstanden und die Huren loben das Arbeitsklima.

Hier gibt's bald nix mehr zu sehen: Der Pussy Club wurde dichtgemacht. Bild: dpa

Der Flyer macht ein verlockendes Angebot. Er bietet die "größte Auswahl an Frauen, die die Welt jemals gesehen hat": "Und du kannst sie alle haben!!!" Was längst Geschäftsidee in Berlin, Wuppertal und anderswo ist, erregt seit Wochen die Gemüter in Südwesten. Bürgerinitiativen, Feministinnen, Orts- und Landespolitiker laufen Sturm gegen das Flatrate-Bordell Pussy Club XXXL im beschaulichen Remstal in Fellbach bei Stuttgart.

"Wenn man die Werbung ernst nimmt, ist von einem Verstoß gegen die Menschenwürde der Prostituierten auszugehen", kritisierte der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP). "Discountsex ist nichts anderes als eine Form von Vergewaltigung", sagte gar die Vorsitzende des Landesfrauenrats, Angelica Klingel. Huren und ihre Selbsthilfeorganisationen dagegen wehrten sich gegen den Protest und lobten die Arbeitsbedingungen im Pussy Club. Beide Seiten schrieben offene Briefe an Bürgermeister, Minister und die Bundeskanzlerin. Jetzt haben die Proteste Erfolg.

Nach einer Großrazzia gegen vier so genannte Flatrate-Bordelle wurden am Sonntag der Pussy Club in Fellbach und ein weiteres Haus in Heidelberg geschlossen. Die 25-jährige Betreiberin wurde am Montag dem Haftrichter vorgeführt. Es gebe den Verdacht, dass die Bordellbetreiber ausländische Prostituierte ohne Genehmigung beschäftigt und Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen hätten, so die Begründung der Staatsanwaltschaft.

Das Bordell in Fellbach wurde mit Verweis auf hygienische Mängel geschlossen. Unter anderem Massagebänke und andere Liegemöbel seien stark verunreinigt gewesen. 179 Männer und 89 Prostituierte wurden kontrolliert, die Prostituierten stammen nach Angaben der Polizei in Waiblingen aus Russland. In einem Fall gebe es konkrete Hinweise auf Zwangsprostitution.

Der Club hat seit dem dem 5. Juni "Die Sex-Flatrate" für tagsüber 70, abends 100 Euro angeboten - all inclusive: Wellness, Saufen bis zum Abwinken, freie Auswahl bei den Damen und deren Dienstleistungen. "Sex mit allen Frauen so lange du willst, so oft du willst und wie du willst!", wirbt der Club im Internet. Der Ansturm war entsprechend.

Im Internet rechtfertigte die Betreiberin ihre Geschäftspraxis als fortschrittlich und im Interesse der Prosituierten. Diese seien selbständige Subunternehmerinnen mit Zwei-Monats-Veträgen, verdienten überdurchschnittlich gut, seien durch eine Tagespauschale gar finanziell besser gestellt als in anderen Häusern. "

Meine Damen stehen immer auf der Gewinnerseite", schreibt die Betrieberin weiter, denn die Prostituierten würden nicht, wie sonst im Gewerbe, für ihre Leistung entlohnt, sondern nur für deren "Bereitstellung": "Ob die Leistungen genutzt werden oder nicht, ist für die Bezahlung nicht ausschlaggebend."

Auch 25 Prostituierten-Selbsthilfeorganisationen, Beratungsstellen und Einzelpersonen stellten sich auf die Seite der Betreiberin. Sie nannten die Kritik an dem Bordell eine vorgeschobene "moralische Kampagne" von Kirchen, Feministinnen und konservativen Politikern. Durch diese Hintertür solle, vermuten sie, die Prostitution abgeschafft und bestehende Gesetze wieder verschärft werden.

Auch ihnen gefalle die Reklame nicht, doch "reißerische Werbung eines Betreibers und zwischenmenschliche Realität der sexuellen Dienstleistung sind nicht identisch. Auch in der Sexarbeit besteht eine nicht zu vernachlässigende Diskrepanz zwischen Werbebotschaft und Anwendungserleben". Bei der Kritik bleibe man auch nach den Razzien vom Wochenende, sagte Mechthild Eickel von der Prostituierten-Selbsthilfeorganisation Madonna in Bochum. "Da werden Gründe gesucht, das Bordell zu schließen."

Die Gegnerinnen des Fellbacher Clubs dagegen, die Unterschriften für die Schließung gesammelt hatten, argumentierten: "In diesem Geschäftsmodell wird die bisherige Praxis eines Vertragsabschlusses zwischen Kunde und Prostituierten unterlaufen." Preis und Leistung zwischen Anbieterin und Kunde seien "nicht mehr frei verhandelbar". Dadurch werde den Frauen "das bisherige Mindesmaß an Einflussnahme und Selbstbestimmung genommen". Auch das bestreitet des Pussy Club vehement. Jede Frau könne tun, was sie wolle, keine müsse oder werde gezwungen.

Die in Fellbach arbeitetenden Frauen hatten sich unlängst in einem Brief an den Bürgermeister gewandt. Sie seien "froh, dass es diesen Club gibt". Die Schließung würde sie wieder in die herkömmlichen Clubs und Laufhäuser und damit "wieder zur modernen und legalen Zuhälterei treiben".

Sie seien keine Opfer, sondern hätten sich frei entschieden, diesen Beruf auszuüben: "Bitte spielen Sie nicht den Helden für uns - wir sind sehr über Ihr Vorhaben verärgert!" Die Frauen wollen im September zu einer Podiumsdiskussion einladen.

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