Tarifstreit in der Metall- und Elektroindustrie: Höhere Löhne gegen die Krise

Die Unternehmen machen Gewinne wie zuletzt in den 60ern. Also müssen jetzt die Löhne rauf. Gerade in der Krise, sagt IG-Metall-Chef Berthold Huber.

Löhne rauf, meint IG-Metall-Chef Berthold Huber. Bild: dpa

Die diesjährige Tarifforderung der IG Metall, 8 Prozent, hat im Unternehmerlager für Aufregung gesorgt. Das sind wir gewohnt. Deswegen sollen zunächst einmal die Fakten sprechen:

Die Gewinne der Metallunternehmen sind von 2004 bis 2007 um 220 Prozent gestiegen. Die Tariflöhne und -gehälter stiegen dagegen im gleichen Zeitraum brutto nur um 10 Prozent. Diese offensichtliche Ungerechtigkeit in der Verteilung des wirtschaftlichen Erfolges wollen wir nicht weiter hinnehmen.

Der Aufschwung in der Metall- und Elektroindustrie ist wie im Bilderbuch verlaufen. Die Produktivität stieg kräftig an. Die Lohnstückkosten sanken. Die Nettoumsatzrendite von 4,2 Prozent ist die höchste seit Mitte der Sechzigerjahre. Die Unternehmen besitzen inzwischen eine so hohe Eigenkapitalquote, dass sie auch in der aktuellen Finanzmarktkrise robust sind. Die Nettogewinne sind nach Angaben der Bundesbank im letzten Jahr auf das Rekordniveau von 47,7 Milliarden Dollar gestiegen.

Die Beschäftigten, die diesen Aufschwung erarbeitet haben, erleben etwas anderes: Der Arbeitsdruck wächst, Leiharbeit und andere ungesicherte Arbeitsverhältnisse nehmen zu. Wir fragen uns: Wo bleibt die Anerkennung ihrer Arbeit und ihrer Leistung?

Diese Entwicklungen sind kein Zufall, sondern stehen in einem größeren Zusammenhang. Seit 2000 ist der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen um 7,6 Prozent zurückgegangen. Die Unternehmen haben also sehr gut verdient, während die Realeinkommen der Beschäftigten auf der Stelle treten.

Im Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre haben wir eine Entwicklung erlebt, die historisch einmalig ist: Die Gewinne explodierten, während die Einkommen und der private Konsum zurückgingen. Nur in Bereichen mit starken Gewerkschaften wie der IG Metall konnten noch reale Lohnverbesserungen erreicht werden.

Dadurch ist eine soziale Schieflage entstanden, die immer bedrohlicher wird. Wir erleben, dass sich Manager Traumgehälter genehmigen, während die Beschäftigten um jeden Cent kämpfen müssen. Das verletzt zutiefst das Gerechtigkeitsempfinden unserer Kolleginnen und Kollegen. Sie wollen Respekt vor ihrer Arbeitsleistung. Sie wissen, dass es etwas zu verteilen gibt, und sie wollen, dass fair geteilt wird!

Diese Auseinandersetzung hat auch eine gesellschaftliche Dimension. Es geht um nicht weniger als den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft. Nicht nur Finanzinvestoren, sondern auch viele Unternehmer haben sich in den letzten Jahren von der gesellschaftlichen Verantwortung und der Idee der sozialen Marktwirtschaft verabschiedet. Wir müssen zunehmend um Mitbestimmungsrechte kämpfen. VW ist da nur ein Beispiel. Wir wollen die Unternehmer wieder stärker in die Pflicht nehmen und erreichen, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das entscheidend. Wirtschaftliche Umbruchphasen werden gerne benutzt, um negative Trends festzuschreiben. Genau das wollen wir verhindern.

Wir wissen natürlich auch, dass die Wirtschaftsentwicklung gegenwärtig nicht leicht einzuschätzen ist und das Wirtschaftsklima im Augenblick schwierig ist. Das kann sich schnell ändern, wenn sich die Finanzmärkte stabilisiert haben, die Kredite wieder fließen und aufgeschobene Investitionen und Kaufwünsche realisiert werden. Sinkende Rohstoffpreise und steigender Dollar kommen gerade der deutschen Wirtschaft zugute. Wir wollen nicht, dass die Arbeitnehmer dann wieder das Nachsehen haben.

Gerade jetzt muss die Tarifrunde einen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung leisten. Wir müssen die Konjunktur stabilisieren. Deutschland hat in den letzten Jahren völlig einseitig auf den Export gesetzt. Diese Entwicklung ist wirtschaftlich ungesund, wir haben das oft kritisiert. Das droht sich nun zu rächen. Der Export wird zurückgehen. In dieser Situation ist es ganz entscheidend, dass wir die Binnennachfrage stärken.

Die Metall- und Elektroindustrie hat Spielräume für antizyklisches Handeln. Sie muss ihren Beitrag zum Erhalt der Konjunktur leisten und sie kann das. Das ist ihre gesellschaftspolitische Verantwortung.

In den letzten Tagen wird die Weltwirtschaftskrise Anfang der Dreißigerjahre viel beschworen. Glücklicherweise sind wir nicht in dieser Lage. Aber eines können wir aus der Geschichte trotzdem lernen. Damals entwickelte sich eine fatale Abwärtsspirale: Lohnverluste führten zu niedrigeren Steuern, fehlender Nachfrage und in der Folge zu weiter sinkender Konjunktur. In einen solchen Abwärtsstrudel dürfen wir nicht geraten.

Wir können jetzt gegensteuern, für Wachstum und Gerechtigkeit. Auch deswegen sind die 8 Prozent Lohnforderung das richtige Signal!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.