Diskriminierung bei Bonitätscheck: Kein Handy im Problembezirk

Ein Mann möchte einen Mobilfunkvertrag abschließen. Doch eine Bonitätsprüfungsagentur hält ihn für unzuverlässig. Der Grund: Er lebt in Berliner Stadtteil Neukölln.

Klischee oder echter Problembezirk? Der Berliner Kiez Neukölln. Bild: imago

Marco F. wollte einen Mobilfunkvertrag mit O2 abschließen. Das hat nicht geklappt. Sein Problem: Er wohnt in Neukölln, und weil der Berliner Stadtteil trotz studentischer Zuzügler als Problembezirk gilt, sinkt Marco F.s hypothetische Zahlungswahrscheinlichkeit dramatisch.

Die Firma Arvato prüft auf Wunsch die Bonität, heißt: die Kreditwürdigkeit, von Menschen. Auf der Arvato-Internetseite steht zu lesen: "Mit dem ICD-Check erfahren Sie sofort, ob zu Ihren Neu- und auch Bestandskunden Negativinformationen zum Zahlungsverhalten vorliegen. Welche Vorteile bringt Ihnen ICD-Check? Ganz einfach: Sie sparen Geld, da Sie schon vorher wissen, ob Ihr Kunde Ihre Produkte und Dienstleistungen auch wirklich bezahlen kann." Als O2 die Daten von Marco bei Arvato abfragte, kam dieser auf einen "Telkommunikations-Score" von 417 Punkten. Die "Zahlungs-Erfüllungswahrscheinlichkeit" bei dieser Bewertung liegt bei 67 %. Zu wenig für O2.

Berechnet wurde dieses Zahlungsverhalten über Marcos Anschriftendaten (Zahlungsverhalten in seinem Wohnumfeld); Daten zu seiner Person (Geschlecht und Alter) sowie seiner Wohnsituation (Gebäudedaten).

Die Firma Arvato hatte also keine Informationen über Marcos reales Zahlungsverhalten, weiß jedoch aufgrund seines Wohnumfeldes (Geoscoring), dass er ungefähr ein Drittel all seiner Rechnungen nicht bezahlt. Dass er in Neukölln wohnt, hat also dazu ausgereicht, ihn negativ zu bewerten. Ein Jugendlicher aus München, Düsseldorf oder Wilmersdorf hätte den O2-Vertrag wohl einfach bekommen. Marco F. mag Glück haben, weil die Seite netzpolitik.org und nun auch klassische Medien den in seinem Blog ausführlich dokumentierten Fall aufgegriffen haben und das Druck erzeugt.

Aber was kommt als Nächstes? Werden uns diese Agenturen in Zukunft auch aufgrund unseres Gewichts oder unseres Sternzeichens beurteilen? Könnte es sein, dass Steinböcke ihre Rechnungen zuverlässiger als Widder bezahlen? Ist ein CDU-Mitglied liquider als ein Grüner? Arvato wollte auf telefonische Anfrage der taz den Fall nicht kommentieren.

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