Karlsruhe kippt Zentralvermarktung: Die Milch machts nicht mehr

Die deutschen Bauern müssen nicht länger für Werbung bezahlen, die sie gar nicht wollen. Die Zwangsabgabe an die Agrar-Marketinggesellschaft CMA ist verfassungswidrig.

Mehr Futter für Ferkel? Die Bauern bekommen ihre CMA-Beiträge zurück. Bild: ap

"Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch" - mit diesem Slogan machte die CMA lange Werbung für deutsche Agrarprodukte. Jetzt steht die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft vor dem Aus. Jedenfalls müssen Bauern und Ernährungsindustrie sie nicht mehr über Zwangsbeiträge finanzieren. Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht solche Sonderabgaben für unzulässig erklärt.

Geklagt hatten der Eierproduzent Georg Heitlinger aus dem badischen Eppingen sowie eine Mühle und eine Geflügelschlachterei. 30 Cent pro 1.000 Eier musste Heitlinger an die CMA abführen. Nicht viel, doch unter dem Strich hatte die CMA jährlich 88 Millionen Euro für Werbemaßnahmen, Gütesiegel und Messestände zur Verfügung.

Die CMA wurde 1969 eingerichtet, damit die deutschen Bauern auf dem neuen EU-Agrarmarkt gegen die starke Konkurrenz aus Frankreich und den Niederlanden mithalten können. Noch 1990 hielt Karlsruhe die CMA-Abgabe für zulässig. Doch 2002 begann sich das Blatt zu wenden. Der Europäische Gerichtshof untersagte staatliche Werbung, die vor allem auf die nationale Herkunft der Waren setzt. Statt "aus deutschen Landen" hieß es bei der CMA jetzt "Bestes vom Bauern".

Damit hatte die CMA nach Ansicht der Kläger und vieler anderer Bauern ihre Daseinsberechtigung verloren. Viele verweigerten die Beitragszahlung. Das Verwaltungsgericht Köln legte den Streit dem Verfassungsgericht vor. Dort verteidigte sich die CMA im letzten Herbst: "Unser Marketing nützt weiter überwiegend der deutschen Landwirtschaft", so ein CMA-Vertreter, "wenn wir für Erdbeeren werben, dann machen wir es natürlich zu Beginn der deutschen Erdbeerernte, wenn der Marktanteil deutscher Bauern bei 85 Prozent liegt." Damit konnte die CMA das Bundesverfassungsgericht aber nicht überzeugen. Karlsruhe stufte gestern die Zwangsabgabe als verfassungswidrig ein. Sie verstoße gegen die Berufsfreiheit der Bauern, weil ihnen so unnötig Geld für staatliche Werbemaßnahmen entzogen werde, das dann für eigene Werbung fehle.

Maßstab des Verfassungsgerichts waren die hohen Hürden für Sonderabgaben. Anders als eine Steuer werden Sonderabgaben nur von einer bestimmten Gruppe verlangt und müssen dann auch im Interesse dieser Gruppe ausgegeben werden. Wenn es um Werbung und andere Fördermaßnahmen geht, ist Karlsruhe besonders streng. Hier müsse der Gruppennutzen "evident" sein, so die Richter, die aber keine Hinweise erkennen konnten, dass staatlich organisierte Werbung effizienter sei als die von Privatpersonen.

Außerdem hielt das Gericht die staatliche Hilfe schon deshalb für unnötig, weil sich die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahren prächtig entwickelt hat. Noch 1987 wurden in Deutschland doppelt so viele Agrarprodukte importiert als exportiert. Seitdem wurden die deutschen Bauern aber immer konkurrenzfähiger. 2005 war die Handelsbilanz schon fast ausgeglichen. Importen in Höhe von 32,9 Milliarden Euro standen Exporte von 30,3 Milliarden gegenüber. Es gebe auch keine Indizien dafür, dass dieser Aufschwung auf die Tätigkeit der CMA zurückzuführen ist, fügten die Richter hinzu.

Bauern und Agrarbetriebe, die gegen die Beitragspflicht Widerspruch eingelegt haben, bekommen nun das Geld zurück. Nach Agenturangaben handelt es sich um 120 Millionen Euro. Die CMA hat entsprechende Rückstellungen gemacht.

Wie es mit der CMA und ihren 150 Mitarbeitern weitergeht, ist noch völlig offen. CMA-Geschäftsführer Markus Kraus sagte gestern trotzig: "Deutschlands Bauern haben ein Recht auf eine starke Absatzförderung." Auch Gerd Sonnleitner, der Chef des Bauernverbands, will die CMA weiterführen. Sie soll jetzt über freiwillige Beiträge und Steuergelder finanziert werden, regte er an.

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